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Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)

Titel: Berlin 1933-1945: Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus (German Edition)
Autoren: Unbekannt
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verwies auf die »überragende Idee der architektonischen Machtbetonung für alle Ewigkeit durch den Charakter des Monumentalen« bei der Neugestaltung Berlins. 44 Allerdings verfügten die Nationalsozialisten weder über eine Architekturdoktrin noch über eine einheitliche Vorstellung von »nationalsozialistischer Architektur«. Die ausgeführten Bauten
zeigen eine breite Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Es wurde traditionell und modern gebaut, mit herkömmlichen Materialien und mit neuartigen Baustoffen. Nicht wenige nationalsozialistische Bauten sollten bewusst Modernität und Technikbegeisterung ausstrahlen. Die gleichzeitig auftretenden, bisweilen aber sehr verschiedenen Stilrichtungen ordnen sich weitgehend bruchlos in die Architekturentwicklung des 20.Jahrhunderts ein. 45 Erst durch die gezielte ideologische Indienstnahme wurden diese unterschiedlichen Stilformen mit politischen Inhalten aufgeladen. Der noch immer gebrauchte Begriff der »faschistischen Architektur« ist als Stilbegriff daher schon deshalb abzulehnen, weil es keinen einheitlichen Stil gab. Die Architektur zwischen 1933 und 1945 kann als pluralistisch beschrieben werden, wobei mehrere Strömungen rivalisierend nebeneinander auftraten. So standen sich traditionalistische und funktionalistische Architekturauffassungen gegenüber, die eigentlich nicht zueinander passen. Der Konflikt zwischen vorindustrieller Handwerklichkeit und unbedingtem Fortschrittsglauben, wie er sich etwa im Vergleich heimatlich gestalteter Siedlungen mit sachlich wirkenden und rationellen Industriebauten zeigt, konnte letztlich nicht aufgelöst werden – vielleicht auch, weil zu wenig Zeit blieb, einen einheitlichen nationalsozialistischen Architekturstil auszubilden.
    Einig waren sich die Verantwortlichen in der Ablehnung der Bauhaus-moderne. Zumindest im Wohnungsbau galten flache Dächer und durchscheinende Glasfronten als »undeutsch« und als Ausdruck der verhassten Republik. Die Ablehnung der zweckorientierten modernen Architekturrichtung betraf technische Bauten wie Fabrikhallen, Bahnhöfe, Tankstellen und Brücken allerdings nicht. Hier waren funktionalistische Architekturformen als Zeichen des Fortschritts ausdrücklich erwünscht. Die Architekten und Bauherren benutzten neuartige Konstruktionen und neuzeitliche Baustoffe wie Stahl, Glas und Aluminium, um damit die technische Entwicklung und fortschreitende Technisierung der modernen Gesellschaft sichtbar zu machen.
    Die Masse der Wohnungsbauten und Siedlungen, der Wehrmachtsunterkünfte und der HJ-Heime erhielten eine traditionalistische Gestaltung. Ihre bodenständige Bauweise, die sich auf landschaftsgebundenes Formengut vergangener Jahrhunderte bezog, knüpfte an die Heimatschutzarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts an. Von stilbildender Bedeutung war vor allem die »Stuttgarter Schule«, die in den 1920er Jahren für ein traditionelles Bauen mit heimatlichen Motiven eintrat. Die Häuser dieser Architekturrichtung besitzen steile Dächer, sprossenunterteilte Fenster und Fensterläden. Man findet häufig Holzbauteile wie Fachwerk oder Holzverschalungen. Die landschaftsgebundenen
Elemente haben aber oft gar nichts mit der Region zu tun, in der die Häuser stehen. Es sind allgemeingültige bildliche Zeichen einer heimatverhafteten Haltung. Das Eintreten für die Tradition beinhaltete keinesfalls die Ablehnung industrieller Methoden. Bei den Siedlungsbauten waren die Normung der Bauteile und die Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Haustypen üblich.
    Albert Speer setzte bei seinen Staats- und Parteibauten für die Reichshauptstadt, von denen letztlich nur die Neue Reichskanzlei ausgeführt wurde, auf klassizistisches Formengut, das in der Größe maßlos übersteigert wurde. Es ist jener Stil, den man gemeinhin mit »nationalsozialistischer Architektur« gleichsetzt, obwohl er nur bei wenigen, wenngleich besonders herausgehobenen Bauvorhaben eingesetzt wurde. Bei der großen Mehrheit der Geschäfts- und Verwaltungsgebäude sind nur noch reduzierte klassizistische Elemente anzutreffen. Man bediente sich der monumentalen Bauweise, die geeignet schien, eine repräsentative Geste mit strenger Einfachheit zu verbinden. Die Architektur ist auf das Wesentliche reduziert, versachlicht und weitestgehend ohne Dekor. Als moderne Elemente lassen sich die nicht ornamentierten Oberflächen, die betonte Flächigkeit und Vereinfachung der Einzelformen beschreiben. Beliebt waren klassische Architekturmotive, die
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