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Bereue - Psychothriller (German Edition)

Bereue - Psychothriller (German Edition)

Titel: Bereue - Psychothriller (German Edition)
Autoren: Lisa Fink
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Keuchend hielt er sich am Türrahmen fest und starrte in den Raum, der eine Wurstküche gewesen sein musste.
    Annelie lag seitlich auf dem dreckigen Fliesenboden, die Beine angewinkelt, die Hände mit grauem Klebeband auf dem Rücken gefesselt. Ein Vorhang aus schwarzen Haaren verdeckte ihr Gesicht. Ihr Körper schimmerte wie Elfenbein in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Die Luft war erfüllt von Fäulnisgeruch. Fliegen summten an den verdreckten Scheiben.
    Seine Beine trugen ihn kaum, als er sich ihr näherte. Er fiel neben ihr auf die Knie, zog sie in seine Arme. Ihr Kopf kippte zurück, die Haare fielen ihr aus dem Gesicht. Da erst sah er die dunklen Striemen an ihrem Hals, Finger zeichneten sich deutlich auf der Haut ab. Ihre schwarzen Wimpern ruhten auf der weißen Haut. Ein dünnes Rinnsal Blut trocknete auf ihrer violett verfärbten Wange.
    Er schob ihre Haare beiseite und tastete nach dem Puls an ihrem Hals. Doch er konnte nichts spüren, seine Hand zitterte zu sehr.
    Tränen verschleierten seinen Blick, als er zu dem Monster aufsah. „Was hast du getan?“
    Unbeweglich kniete Jakob mit gefalteten Händen auf den Fliesen und starrte in die Ferne. Er wirkte wie die Frau von dem Kerl in der Wüste, die zur Salzsäule erstarrt war. Lots Frau. „Wollt ich nicht“, stammelte er. „Hat so geschrien.“
    Zu gerne hätte Ben ihn auf der Stelle erschlagen. Doch es gab Wichtigeres.
    Er schob Annelie einen Arm unter die Kniekehlen, einen um die Schultern und hob sie hoch. Schwankend kam er auf die Füße.
    Er rammte den Ellenbogen auf die Türklinke. Doch die Tür, durch die er hereingekommen war, wollte nicht aufgehen. “Mach die scheiß Tür auf!”
    Jakob reagierte nicht.
    Er verlagerte Annelies Gewicht und drehte den Schlüssel, der innen im Schloss steckte.
    Endlich schwang die Tür auf, mildes Morgenlicht blendete ihn, als er ins Freie wankte und sich über das zugewachsene Gelände kämpfte. In der Ferne sah er die Straße. Das Bild vor seinen Augen verschwamm, das Hämmern seines Herzens vibrierte in seinem Körper.
    Ein paar Meter musste er noch durchhalten. Seine Knie knickten bei jedem Schritt ein. Mit letzter Kraft erreichte er den Gehweg.
    Es mochte gegen sieben Uhr morgens sein, es waren einige Menschen unterwegs. Doch keiner beachtete ihn.
    „Hilfe“, wollte er rufen, doch es kam nur ein Krächzen heraus.
    Mit der leblosen Annelie im Arm brach er zusammen und hielt sie fest. Er drückte einen Kuss auf ihre weiße Stirn. Ihre Haut war kühl. Eine Träne rann über seine Wange, tropfte auf ihre Nase, lief daran herunter. Als ob es ihre Eigene wäre.
    Ihre Lider flatterten, flogen auf wie die Flügel eines Schmetterlings. Ihr Blick irrte kurz umher, um an seinem Gesicht hängen zu bleiben. Sie lebte. Ein bisschen.
    „Benni“, flüsterte sie kaum hörbar.
    „Schneewittchen.“
    Ihre Lippen zitterten, als ob etwas sagen wollte. Doch es kam kein Ton heraus.
    „Es wird alles gut”, flüsterte er und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln.
    Sie nickte kaum sichtbar. Ein Zucken lief durch ihren Leib. Ihre Augen verdrehten nach oben, ihr Kopf sackte in seinen Arm zurück. Ihr Körper erschlaffte in seinen Armen.
    “Annelie!”, schrie er, immer wieder.
    Rufe wurden laut, Hände berührten ihn an der Schulter.
    Verzweifelt zerrte er an dem Klebeband, mit dem ihre Arme immer noch auf ihren Rücken gefesselt waren. Es saß so eng. “Ein Messer! Hat denn niemand ein Messer!”, schrie er und drückte ihren Kopf an seine Halsbeuge. Er spürte keinen Atem.
    Fernes Sirenengeheul drang in sein Bewusstsein.
    Eine Frau zerschnitt mit einer Nagelschere das Klebeband und entfernte es von Annelies Armen. Schluchzend zog er ihren herabbaumelnden Arm auf seine Schulter. Er glitt herab.
    Blaulicht flackerte. Schnelle Schritte näherten sich. Zwei Männer zogen Annelie aus seinen Armen und legten sie auf eine Trage. Ein anderer Mann untersuchte sie. “Defibrillator!”, bellte er.
    Zwei Polizisten versperrten Ben die Sicht. “Der zweite Krankenwagen kommt gleich. Bleiben Sie ganz ruhig”, hörte er eine sanfte Stimme sagen.
    Er brauchte keinen Krankenwagen.
     

58
    “Sie sollten wirklich noch zur Beobachtung hierbleiben. Wenigstens bis Morgen”, quengelte Dr. Mertens.
    Er musste hier raus. Krankenhäuser war der desinfizierte Tod auf Raten.
    Die winzigen Knöpfe an dem weißen Hemd wollten nicht so recht seinen Fingern gehorchen. Richard hatte es ihm gebracht, zusammen mit ein paar anderen
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