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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste
Autoren: Harry Dolan
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und die Handschellen fielen ins Gras. Mit schwingenden Armen rannte er auf die gelben Stoffstreifen zu, die an den Zaun gebunden waren.
    Wieder sah Lark durch den Sucher seines Gewehrs, leicht bebend stand das Fadenkreuz auf Dawtreys Brust. Dann drückte er ab. Nichts passierte. Lark nahm den Kopf zurück und schüttelte das Gewehr, als ließe sich so das Problem lösen. Larks Aufmerksamkeit sprang zwischen dem Gewehr und der Szene unten hin und her. Dawtrey näherte sich dem Zaun. Die beiden Jugendlichen stiegen auf ihre Fahrräder und ergriffen die Flucht. Die Trauergäste blickten von Dawtrey zum Parkplatz und wieder zurück. Der stämmige Deputy stieß den Priester zur Seite und rannte los. Sein Kollege rannte hinter Dawtrey den Pfad entlang, zog seine Pistole aus dem Halfter.
    Lark fummelte an seinem Gewehr herum. Irgendwann flog die nutzlose Patrone durch die Luft und landete weich in den Kiefernnadeln. Unten hatte Terry Dawtrey inzwischen den Zaun erreicht, sprang hoch und griff mit beiden Händen nach der waagerechten Stange. Der Deputy forderte ihn auf, stehen zu bleiben.
    Aber Dawtrey kletterte bereits über den Zaun, landete ungeschickt auf der anderen Seite und rutschte den Abhang hinunter. Er griff in das Gras, um Halt zu finden und wieder auf die Füße zu kommen. Wieder rief ihm der Deputy etwas zu.
    Der Gewehrkolben lag an Larks Schulter, das Fadenkreuz war auf den offenen Kragen von Dawtreys weißem Hemd gerichtet. Gerade als Lark den Abzug drücken wollte, fuhr Dawtreys Kinn nach oben, und ein rot-schwarzer Fleck erschien in der Kuhle unter seiner Kehle.
    Lark hörte den Schuss, reflexartig drückte er den Abzug. Das Gewehr feuerte in dem Moment, als Dawtrey auf die Knie fiel. Ohne Schaden anzurichten, flog die Kugel über seine Schulter hinweg. Lark ließ das Gewehr sinken, sah hinunter auf den Deputy, der mit seiner Pistole am Zaun stand. Rauch stieg aus der Mündung der Waffe auf. Lark konnte ihn fluchen hören, konnte sehen, wie sich das Gesicht des Mannes in einer hässlichen Grimasse abwandte. Konnte sehen, wie er die Pistole zornig in den Halfter stopfte.
    Dawtrey lag bewegungslos im Gras, kaum mehr als zwanzig Meter von Lark entfernt. Auf Knien und Ellbogen kroch Lark vom Hügelkamm zurück, das Gewehr über den Boden schiebend. Von unten Stimmengewirr. Der stämmige Deputy schrie Befehle.
    Lark blieb in Deckung, bis er weit genug vom Kamm entfernt war. Dann wickelte er das Gewehr in die Decke ein und lief zu seinem Wagen zurück.

    An dem Abend war die Schießerei der Aufmacher in den Nachrichten. Der berühmt berüchtigte Terry Dawtrey war bei einem Fluchtversuch von einem Deputy niedergeschossen worden. Lark sah die Berichterstattung vom Hotelbett aus. Den Beutel mit schmelzendem Eis beachtete er nicht länger, seine Kopfschmerzen waren nur noch Erinnerung.
    In einem der Sender tauchte die Frau mit dem erstaunlichen Lächeln auf. Ein Reporter rief ihr aus einer Menge heraus eine Frage zu, wollte eine Reaktion auf Dawtreys Tod. Aber sie schüttelte nur ernst den Kopf und gab keinen Kommentar.
    Um Mitternacht schaltete Lark den Fernseher aus und griff nach seinem Notizbuch. Er schlug eine leere Seite auf und hielt mit seinem Watermanfüller die Ereignisse des Tages fest – weil wir alle Herr unserer eigenen Taten sein müssen.
    Gegen eins fiel ihm das Notizbuch auf die Brust. Blinzelnd fuhr er hoch und drehte sich auf die Seite. Er blätterte im Notizbuch zu seiner Liste zurück: Henry Kormoran. Sutton Bell. Terry Dawtrey. Die roten Buchstaben atmeten auf der Seite. Kormoran und Bell wohnten in Ann Arbor. Lark würde es sich gestatten, am nächsten Morgen auszuschlafen, und dann würde er hinunterfahren und sie aufsuchen.
    Nach einem Augenblick des Zögerns strich er Dawtreys Namen durch. Es schien gerechtfertigt, obwohl die Dinge nicht so gelaufen waren, wie er geplant hatte.
    Er hatte den Tod des Mannes gewollt, und der Mann war tot. Es war ganz egal, wie man sein Ziel erreichte, Hauptsache, man erreichte es.

4
    Hier ist, woran ich mich, was diesen Tag anbelangt, erinnere. Mittwoch, fünfzehnter Juli. Der Tag, an dem ich das Manuskript bekam.
    Ich war in meinem Büro bei Gray Streets und redigierte eine Story. Mein Handy brummte um halb sieben Uhr abends und kroch dabei über meinen Schreibtisch. Ich reagierte einen Moment lang nicht darauf, sondern suchte nach einer bestimmten Seite und schrieb einen Satz an den Rand. Dann griff ich nach dem Handy und sah Elizabeths Namen auf dem
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