Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)

Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)

Titel: Beinah auf den ersten Blick: Roman (German Edition)
Autoren: Jill Mansell
Vom Netzwerk:
wohl nicht Lady Rosemary. Das Mädchen vertiefte sich wieder ganz in ihr Telefonat und wanderte zurück ins Haus. Sie trat die Tür mit ihrem nackten Fuß zu. Positiv war zu vermerken, dass ihr Cleos Beine nicht aufgefallen waren.
    Die Strumpfhose saß auch zu locker um die Hüfte. Cleo war gezwungen, sie mit der Hand festzuhalten, während sie durch die Dämmerung schritt. Ihre Schuhe knirschten auf dem Kies, und der Duft frisch gemähten Grases hing in der Luft. Tauben gurrten in den Bäumen, aufgeschreckt vom Dröhnen eines einmotorigen Flugzeugs, das über ihre Köpfe flog und am sich verdunkelnden Himmel eine silbernen Kondensstreifen hinterließ. Auf dem Boden bewegte sich der immer dichter werdende Nebel wie weißes Ektoplasma über die Rasenflächen. Cleo kam an einem sorgfältig gepflegten Rosengarten vorbei und hörte Stimmen in der Ferne. Vor ihr lag die Eibenhecke, drei Meter hoch, mit einem eingelassenen Bogen. Hinter dem Bogen geschah irgendetwas. Als Cleo darauf zuging, wurden die Stimmen lauter, und sie nahm durch die Lücke in der Hecke Farben und Bewegungen wahr.
    Eine Art Gartenfest, wie es schien. Auch wenn das Timing bizarr war, wo es doch rasch dunkler wurde. Cleo beugte sich vor und versuchte, die Akkordeonfalten in ihrer Strumpfhose glattzustreichen, dann packte sie das obere Ende der Strumpfhose und zog es so weit sie konnte nach oben.
    Jetzt entstand langsam ein Bild. Gerade als sie den Bogen in der Hecke erreichte, wurde ein Schalter umgelegt, der Bereich dahinter erstrahlte plötzlich in hellem Licht, und alle Anwesenden brachen in Applaus aus.
    Cleos Herz vollführte einen delphinartigen Sprung. Eine Welle aus Adrenalin schoss durch ihren Körper, und ihre Haut prickelte in jähem Erkennen, denn dort in der Mitte der Lichtung, beleuchtet von professionell angebrachten Scheinwerfern, stand ein Rudel Hirsche. Links der stolze Hirschbock, sein Geweih wie Flügel ausgebreitet, ihr direkt zugewandt. Rechts die anmutige Hirschkuh, den Kopf grasend zu Boden geneigt. Und zwischen ihnen, verspielt und neugierig, das Hirschkalb.
    Keine echte Hirschfamilie, sondern eine aus Stahldraht und überlebensgroß. Allein der Hirsch war über drei Meter hoch. In silbriges Licht getaucht und umgeben von Bäumen war die Wirkung überirdisch und ätherisch. Und die Frau, die den Applaus anführte, zog nun den Schöpfer dieser Kreaturen nach vorn.

55.
    Kapitel
    Johnny lächelte. Er trug ein dunkelblaues Hemd und Jeans, sah bescheiden und unglaublich umwerfend aus. Cleo konnte nicht anders. Ihn so unerwartet zu sehen reichte aus, eine Lawine an Gefühlen in ihr auszulösen. In der letzten Woche war Ravenswood verlassen gewesen. Niemand hatte gewusst, wo er war.
    »Ich danke Johnny so sehr dafür, dass er meinen Traum wahr gemacht hat. Er hat meine Erwartungen weit übertroffen. Ich könnte gar nicht glücklicher sein mit meinen herrlichen Skulpturen, und ich weiß, ich werde mich bis ans Ende meiner Tage an ihnen freuen!« Die Frau – konnte das Lady Rosemary sein? – war Anfang fünfzig, mollig und herzlich und trug einen weiten, abgewetzten Cordhosenanzug. So viel zu vorgefassten Meinungen. Sie umarmte Johnny, dann verkündete sie: »Tja, es wird langsam ein wenig kühl. Wollen wir hineingehen? Oh, hallo!« Sie entdeckte Cleo, die am Rand der Lichtung vor der riesigen Eibenhecke stand, und fügte hinzu: »Wir haben einen Neuankömmling. Sind Sie gekommen, um meinen Lieblingskünstler zu entführen?«
    Cleo spürte, wie die versammelten Gäste sie musterten, während sie an ihr vorbei zum Haus gingen. Lachten sie über ihre schlabbernde Stumpfhose? Als nur noch sie drei übrig waren, nahm die Frau Cleos Hände in ihre und meinte warmherzig: »Ich habe schon viel von Ihnen gehört, meine Liebe. Ich bin übrigens Rose.«
    Was war hier los? Cleo sagte: »Hallo, ich bin Cleo. Äh … ich dachte, ich soll Sie nach Shepton Mallet bringen?«
    »Nein, meine Liebe, Sie bringen Johnny nach Hause. Ich werde jetzt meinen durstigen Freunden Drinks einschenken. Sie beide dürfen sich uns gern anschließen, wenn Sie möchten.« Rose strahlte Johnny über die Schulter an, während sie durch den Bogen schritt. »Hübsches Mädchen. Herrliche Sommersprossen. Lustige Strumpfhose!«
    Und dann standen nur noch sie beide in der Lichtung, umgeben von hohen Bäumen und den stählernen Hirschen im bleichen Nebel.
    Zum ersten Mal sah Cleo Johnny in die Augen. Irgendetwas war hier los, und niemand erklärte es ihr. Es war wie in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher