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Bei Tag und Nacht

Titel: Bei Tag und Nacht
Autoren: Kat Martin
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großes Pferd antraben, und sein Herz pochte heftiger als während der ganzen Kriegshandlungen. Was konnte er nur sagen, um den Schmerz wiedergutzumachen, den er ihr bereitet hatte?
    Da hörte er von hinten jemanden rufen und zügelte Minotauros.
    »Colonel Kingsland!« Leutnant Beasley, ein Offizier seines Regiments, ritt auf ihn zu. »Entschuldigt, Sir, aber General Ravenscroft hat mich geschickt, Euch zu suchen. Er sagte, es sei dringend.«
    Adrian warf einen letzten Blick auf seine Liebste, die sich immer noch über den Verwundeten beugte. Verdammt, es hatte den Anschein, als käme permanent etwas zwischen sie. Er seufzte ergeben und spürte die Reue wie Blei im Bauch. »Es ist gut, Leutnant. Reitet voraus!«
    Die Neuigkeiten drangen bis ins Lazarett vor. Die beiden Dörfer Aspern und Essling waren während der Kämpfe zehnmal erobert und zurückerobert worden. Doch bis zum Abend des zweiundzwanzigsten Mai war klar, daß die Österreicher den Sieg davongetragen hatten. Während der ganzen Zeit verrichtete Elissa unausgesetzt ihre Samariterdienste.
    Sie drückte ein feuchtes Tuch auf die Stirn eines Verwundeten, schob sich eine Strähne ihres ungekämmten, schweißfeuchten Haars aus dem Gesicht und reckte sich. Jeder Knochen tat ihr im Leibe weh, und es kamen immer neue Opfer. Sie schaute hinunter auf den fiebernden Mann, den sie versorgte, sah, daß er die Augen weit geöffnet hatte. Auf seinen Zügen lag ein seltsamer Ausdruck.
    »Bin ich ... bin ich tot?«
    Sie warf ihm ein halbes Lächeln zu. »Nein, das seid Ihr nicht!«
    »Dann seid Ihr auch kein Engel?«
    Wohl kaum, dachte Elissa. Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nur eine Frau, die zu helfen versucht. Ihr habt eine Verletzung an der Schulter, aber die Kugel ist sauber durchgeschlagen. Nach dem Wundfieber wird es Euch wahrscheinlich bald wieder gutgehen.«
    Seine trockenen Lippen verzogen sich ein wenig. »Danke sehr.«
    Nochmals wrang sie den Lappen aus und drückte ihn wieder auf seine Stirn. »Ruht Euch jetzt aus. Ich sehe dann später wieder nach Euch.« Der Soldat schloß die Augen und fiel in einen unruhigen Schlummer. Ein paar Meter weiter ertönte ein Ächzen bei den Männern, die gerade gebracht wurden. Sie sah, daß ihr einer winkte; seine Finger zitterten bei der flehentlichen Geste, ihm doch zu helfen.
    Elissa richtete sich auf und zwang ihre müden Beine in seine Richtung. Als sie bei ihm war, sah sie, daß das Blut aus seiner Brust sich auf der ganzen Uniform ausbreitete. Sie bückte sich und nahm seine suchende Hand.
    »Es ist schon gut«, sprach sie ihm Mut zu. »Wir werden Euch helfen.« Er war ein junger Mann, blond und hellhäutig, erinnerte sie irgendwie an Peter. Sie sprach ein leises Gebet, Gott möge ihren Bruder beschützen und zwang sich zu einer aufmunternden Miene. »Ich weiß, daß Ihr Schmerzen habt. Es soll so schnell wie möglich ein Sanitäter kommen.« Sie setzte sich in Bewegung, aber er wollte ihre Hand nicht loslassen, griff fast schmerzhaft zu.
    »Nein ... bitte ... Ihr müßt. .. zuhören. Ihr müßt.. . mir helfen.«
    Sie schaute hinab auf seine Verwundung, sah, daß sie erneut blutete, und begann, ihm die Uniform aufzuknöpfen. Wieder umklammerte er ihre Hand.
    »Keine ... Zeit«, flüsterte er und hustete, bis sein Gesicht kreidebleich war. Als der Husten nachließ, schob er eine zitternde Hand in die Tasche seiner Jacke. »Nehmt das hier ... Seht zu, daß es an die richtige Adresse gelangt.«
    »Aber ich kann nicht...« Er drückte ihr ein blutbeflecktes Stück Papier in die Hand, eine wachsversiegelte Nachricht, sah sie - ihr fiel auf, daß das Siegel zerbrochen war. Sie öffnete den Brief, überflog den Text und spürte eine eisige Faust im Nacken. In der rechten unteren Ecke der Seite entdeckte sie das tintenblaue Zeichen eines Vogels. Eindeutig das Siegel des Falken!
    Der Soldat zog sie näher zu sich heran und flüsterte: »Es wartet ein Mann ... in der Nähe des Kornspeichers von Essling. Ich hatte Befehl.. . ihm . . . die Nachricht zu bringen.«
    Plötzliche Wut erfüllte sie. Noch mehr Verluste. Noch mehr Verrat. »Wer hat Euch das gegeben? Wer gab Euch Befehl, den Brief zu transportieren?«
    Der Mann holte schwer und rasselnd Atem. »Major... Becker. Zehnte ... Kürassiere. Sie lagern ... nicht weit von hier. Der Major sagte, es wäre ... dringend.«
    Ihr Blut strömte schneller, so daß der Zorn sie förmlich schüttelte. Dringend. Das bezweifelte Elissa nicht. Die Franzosen verloren. Der Falke würde
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