Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler
Autoren: Britta Konradt
Vom Netzwerk:
unseren Nachbarn. Die Niederlande wenden das Screening seit mehr als 20 Jahren konsequent an. Mit Erfolg: Dort liegt die MRSA-Infektionsrate unter zwei Prozent. Risikopatienten werden erst einmal isoliert – das heißt, sie bekommen ein Einzelzimmer – bis eine MRSA-Infektion abgeklärt ist. Als MRSA-Risikopatient gilt im Übrigen in den Niederlanden auch jeder, der in einem deutschen Krankenhaus behandelt wurde. Deutsche Krankenhäuser haben dort den Ruf, MRSA zu verbreiten. Das Modell wird mittlerweile in der deutsch-holländischen Grenzregion getestet.
    Doch dieser Kampf kostet. Zumindest kurzfristig. Langfristig würde es sich lohnen, da die Behandlungen von Infektionen mit immens hohen Kosten verbunden sind. Ohne MRSA-Infektion hätte die Tochter meiner Mandantin eine Operation gebraucht – die für ihre Bandscheibe. Jetzt sind es 25, plus Medikamente, Physiotherapie und so weiter. Das möchte man gar nicht ausrechnen.
    Gegner des Screenings und der Isolation rechnen vor, dass die Kliniken sich diese Maßnahmen finanziell nicht leisten könnten. So viele Einzelzimmer hätte man gar nicht.
    2009 konnten etwa 90 Prozent der Patienten, die hätten isoliert werden müssen, dies nicht werden. Doch im Ergebnis bräuchten die Krankenhäuser am Ende viel weniger Einzelzimmer zur Isolation. Großer Aufwand, großer Nutzen.
    Man darf aber auch eines nicht vergessen: Für den betroffenen Patienten haben diese Maßnahmen Folgen. Wenn er MRSA-positiv ist und die Behandlung nicht verschoben werden kann, wird er isoliert, in seiner Mobilität eingeschränkt, bekommt weniger Besuch, wird als »Infizierter« stigmatisiert und hat Sorge, dass er weniger gut betreut wird als andere
Patienten, einfach weil das Personal die Keime meidet. Aber diese Situation ist nur vorübergehend und der einzige bisher bekannte Weg die Infektionen mit dem MRSA-Keim eindämmen zu können.
    Was bedeutet das Vorhergesagte jedoch für den Patienten, der durch einen MRSA-Keim krank geworden ist? Kann dieser Ansprüche durchsetzen?
    Nein, solange das Screening gesetzlich nicht verbindlich gefordert ist, stellt es keinen Standard dar, welchem der Arzt folgen muss. Die Juristen können also auch keinen Behandlungsfehler einklagen, wenn nicht gescreent worden ist. Zunächst muss deshalb gefordert werden, dass das Screening verbindlich eingeführt wird.

    Bis dahin sollte das Prinzip der sekundären Darlegungs- und Beweislast angewendet werden – was ich bislang jedoch noch nicht erlebt habe. Diesem Prinzip liegt zugrunde, dass eine Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und typischerweise keine Kenntnis der darzulegenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner diese besitzt und ein näherer Sachvortrag ihm zumutbar ist. Er hat sich dann umfassend und genau zu dem Vorbringen der Gegenseite zu erklären. Das heißt, das Krankenhaus stünde in der Pflicht nachzuweisen, dass der Patient diesen Keim nicht in dem selbigen erworben hat. Die Möglichkeit hierfür ergibt sich durch eine Besonderheit des Keims. Dieser bildet Subtypen, das heißt: Kein Keim gleicht dem anderen. Somit kann durch die familiäre Herkunft der Infektionsweg nachverfolgt werden.
    Ob der Keim aus dem Krankenhaus kommt oder ob er aus der eigenen Sphäre des Patienten stammt, kann damit nachgewiesen werden. Wenn der Keim A, der die Infektion verursacht hat, im Krankenhaus bislang noch nicht vorgekommen ist, hat der Patient ihn vermutlich selbst mitgebracht. Das Krankenhaus kann das nachweisen, der Patient bislang nicht. Wenn der Patient den Keim mitgebracht hat, kann auch die
beste Einhaltung der Hygienevorschriften die Infektion nicht verhindern. Das Krankenhaus haftet dann nicht. Wenn Keim A aber gerade kürzlich schon einmal im Krankenhaus festgestellt wurde, ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Patient ihn sich dort erworben hat. Dann müssen die Hygienepläne vorgelegt werden, und wenn diese nicht eingehalten worden sind oder nicht sorgfältig dokumentiert worden ist, müsste das Krankenhaus haften.

    Meine Mandantin hat nicht geklagt. Aus Kostengründen hat sie die Finger davon gelassen, da der Erfolg äußerst fraglich ist. Für eine Prozesskostenhilfe war sie ein wenig zu vermögend, und ein Prozesskostenfinanzierer hätte die Aussicht auf Erfolg auf weniger als 50 Prozent eingestuft und wäre deshalb nicht eingestiegen. Die Mandantin hätte das Kostenrisiko also selbst tragen müssen. Das konnte sie sich nicht leisten. Mich hat dieser Fall lange
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher