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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer
Autoren: Marie Christen
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sich gewiesen.
    Mathieus hingebungsvolle Liebe zu ihrem kleinen Sohn machte sie glücklich und zufrieden. In ihrem Leben hatte er nur einen Platz als Vater des kleinen Simon. Die Rolle des Mannes hatte sie ihm bislang verweigert. Im Laufe der Zeit war jedoch zwischen ihnen eine tiefe Verbundenheit entstanden. Eine Verbundenheit aus gemeinsamem Erleben, unvergleichbar mit der Leidenschaft, die sie in Simons Arme getrieben hatte.
    Mathieu zog die Zügel vor ihnen an, und Simon quietschte begeistert beim Anblick seiner Mutter und Eudoras. »Ich habe ihn seiner Amme entführt. Auf den Weiden am Fluss sind die jungen Lämmer geboren worden.« Simon hüpfte in Violantes ausgestreckte Arme. Noch ganz in Gedanken küsste sie die weichen Locken des Knaben. Mathieu erfasste sofort, dass in Violante etwas vorging. Mittlerweile kannte er sie so gut, dass er jede Veränderung bei ihr spürte. »Ist etwas?«
    »Nichts«, wehrte sie ab und ließ Simon zu Boden, hielt ihn jedoch an seinem Kinderhemdchen fest, damit er nicht zwischen die Hufe des Destriers geriet. Mathieu sprang aus dem Sattel und reichte dem herbeigeeilten Stallknecht die Zügel. »Du musst ihn nicht abreiben, er ist nur gemächlich gegangen«, wies er ihn an.
    Eudora wollte Violante den kleinen Irrwisch abnehmen, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Lass mir den Knaben, ich gehe selbst mit ihm zur Amme.« Mathieu sah ihr irritiert nach.
    »Sie ist verstimmt. Worüber? Weil ich das Kind der Amme entführt habe?«
    »Ich glaube, sie ist nur nachdenklich«, sagte Eudora. Mathieu bedachte sie mit einem zweifelnden Blick und sah den beiden kopfschüttelnd nach.
    Er machte sich auf den Weg in die große Halle der Burg. Jean Vernier kam ihm entgegen.
    »Gut, dass du wieder zurück bist. Seit fast einer Stunde wartet ein Zisterziensermönch auf dich. Er bringt eine Botschaft von Simon.«
    Mathieu erschrak, seit dem Abschied in Vienne hatte er nichts mehr von seinem Bruder gehört. »Wo ist der Mönch?«
    »Er wartet drinnen auf dich.«
    Mathieu stürmte an Vernier vorbei in die Halle. Der Mönch erhob sich bei seinem Anblick und überreichte ihm ein grob versiegeltes Pergament, noch bevor sie ein Wort miteinander gewechselt hatten. Er strahlte so viel düstere Unnahbarkeit aus, dass Mathieu auf Fragen verzichtete und ihm lediglich seine Gastfreundschaft anbot. Der Zisterzienser lehnte dankend ab, da er bereits im Pfarrhaus von Andrieu Unterkunft gefunden hatte.
    Als Violante am späten Nachmittag in die Burgkapelle kam, fand sie Mathieu reglos auf Knien vor dem Altar.
    »Was ist geschehen?« Sie lief zu ihm.
    Er deutete stumm auf den Brief, der neben ihm auf den Steinen lag. Violante hob ihn auf und begann zu lesen.
    »Mein Bruder, ich will nicht gehen, ohne dir Lebewohl zu sagen. Wenn du dies liest, habe ich meinen Frieden in Gott gefunden. Unsere kleine Gemeinschaft in Maillezais ist mir ans Herz gewachsen, aber es fällt mir dennoch nicht schwer, sie zu verlassen. Ich bin müde, und das Fieber, das mich seit dem Sommer gepackt hat, macht mich jeden Tag schwächer. Meine letzten Gedanken gelten dir und Violante. Ich umarme euch und sende euch meine ganze Liebe.« Sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Eine andere Hand hatte in unbeholfenen Buchstaben hinzugefügt: »Bruder Simon ist am Dreikönigsfest des Jahres 1314 zur zehnten Abendstunde, versehen mit den heiligen Sakramenten, zu unserem Herrn heimgekehrt. Er ruht in Frieden.«
    »So hat er endlich seinen Frieden gefunden«, sagte sie leise. »Gönnen wir ihm die Erlösung. Er wollte es so.« Mathieu hob den Kopf. Violante sah ihn mit demselben Schmerz an, den auch er empfand. Sie legte ihm tröstend eine Hand auf die Schultern.
    »Ich habe alle Tränen um Simon bereits geweint, Mathieu. Wir haben einen großen Trost, wir haben seinen Sohn. Simon hat uns nicht verlassen. Sein Herz ist in Andrieu, und es schlägt im Körper seines Sohnes weiter.«
    »Deine Worte geben mir Stärke.« Mathieu erhob sich und verließ die kleine Kapelle. Violante zögerte, ihm zu folgen. Sie faltete das Pergament und tat es in den Beutel an ihrem Gürtel, ehe sie das steinerne Kreuz herausfordernd ansah.
    »Es ist genug, o Herr. Genug der Tränen und genug der Trauer. Du hast mir gezeigt, dass das Leben weitergeht. Ich will es annehmen.«
     
     
     
    M ATHIEU VON A NDRIEU
    Burg von Andrieu, 15. April, Osterfest des Jahres 1314
     
    Mathieu streckte die Beine aus, lehnte sich gegen die geschnitzte Rückenlehne des Stuhles und ergriff
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