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Befehl aus dem Jenseits (German Edition)

Befehl aus dem Jenseits (German Edition)

Titel: Befehl aus dem Jenseits (German Edition)
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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war da, existierte, lebte.
    Wo?
    Er spürte sein Gesicht. Er war kühl und feucht. Vorsichtig bewegte er die Augäpfel unter zuckenden Lidern. Farbige Muster gaukelten ihm Helligkeit und Licht vor. In langsamen Wellen kehrte das warme Gefühl für seinen Körper zurück.
    Diese Tatsache beruhigte ihn. Für eine Sekunde der Ewigkeit hatte er geglaubt, keinen Körper mehr zu besitzen.
    Eine blitzartige Assoziation: Tod-körperlos-Himmel. Er lachte kurz und lautlos. Und dann war da wieder diese hilflose Verwunderung ...
    Er wußte mit aller Bestimmtheit, derer er fähig war, daß ihm ein unendliches Stück seiner Erinnerung fehlte. Er befand sich im Zustand eines Mannes, der im Traum genau weiß, daß er träumt, und der nichts tun kann, um endlich aufzuwachen.
    Er brauchte lange, bis er den Mut fand, die schützende Geborgenheit des Nichtwissens zu durchstoßen. Es war, als ahne er bereits, daß der Entschluß, aufzuwachen, Einsamkeit bedeutete. Völlige, absolute, endgültige Einsamkeit.
    Denn um ihn herum war alles fremd. Seine Finger tasteten über temperaturlosen, feuchten Sand. Nicht kalt und nicht warm.
    Der Entschluß, die Augen zu öffnen, war leichter, als er gedacht hatte. Er nahm das Bild einer grauen Wolkenmasse in sich auf. Sie vereinigte sich irgendwo weit draußen mit dem graugrünen Meer.
    Die gleichförmige Brandung spülte klares, salziges Wasser gegen seinen Körper. Er öffnete die Augen ganz. Eine Weile lag er vollkommen ruhig und versuchte zu verstehen. Doch sein Geist blieb paralysiert. Er war da, und doch weigerte sich alles in ihm, diese Existenz zu akzeptieren.
    Er richtete sich auf, fiel zur Seite und kroch zum Wasser hin. Seine Finger griffen in den nassen Sand. Eine warme Welle trieb weißgrüne Schaumblasen zu ihm hin. Er tippte sie an und freute sich, daß sie zerplatzten ... Plötzlich lief ein Schütteln durch seinen Körper. Ein winziger Funke der Erinnerung war aufgetaucht. Er wußte, daß er Roby Dumont hieß. Nur das, nicht mehr! Trotzdem waren ihm einige Begriffe geblieben. Nein, er war kein verblödetes Kind. Mit dem Finger zeichnete er ein Dreieck in den Sand. Er schüttelte den Kopf und versuchte es nochmals. Diesmal hatte das Dreieck einen rechten Winkel. Er wartete, überlegte, dann zog er hastig Quadrate über die Schenkel des Dreiecks.
    Zwei Quadrate waren zusammen so groß wie das dritte ...
    Er fragte sich fröhlich, ob Pythagoras seinen berühmten Lehrsatz auch mit den Fingern im Sand seiner griechischen Insel entwickelt hatte.
    Es war, als müsse er sich beweisen, daß er kein Kleinkind war. Mit wachsender Begeisterung malte er geometrische Figuren in den Sand. Immer wieder wischten die Wellen seine euklidischen Zeichnungen aus, doch das störte ihn nicht.
    Dann hielt er plötzlich inne.
    Was, zum Teufel, trieb ihn dazu, Kreise, Parabeln und Striche in den Sand zu malen? Verwundert stellte er fest, daß er nackt war. Er blickte sich um. Der Strand war vollkommen kahl. Er erhob sich und ging durch den Sand. Als er sich umdrehte, fiel ihm auf, daß nur seine eigenen Spuren zu sehen waren.
    Die Bucht war nicht größer als jene Strecke, die er bis zum Horizont über dem Wasser sehen konnte. Er versuchte, einen besseren Vergleich zu finden, und merkte, daß er es nicht konnte. Jede vernünftige Relation fehlte. Vorsichtig erklomm er die unbewachsenen Dünen. Er hatte Angst vor dem, was dahinter sein mochte. Wenn nun überhaupt nichts ... Drei Meter unterhalb des Dünenkamms blieb er stehen. Er starrte auf die scharfe Schattenlinie wie auf eine magische Grenze. Das Blut pochte in seinen Ohren. Wieder blickte er sich um. Die Wellen hatten alle seine Zeichnungen verwischt. Ein leichter Wind ließ Sand in die Spuren seiner Füße wehen.
    Der Wind streichelte seine Haut, warm und feucht. Plötzlich fielen schwere Regentropfen auf seine Schultern. Er zuckte unwillkürlich zusammen. Mit den Fingerkuppen strich er über die feuchten Stellen. Winzige rote Körnchen schwammen in den Tropfen und rannen wie blutige Tränen über seine behaarte Brust. Überall färbte sich der Sand rot. Langsam erst, dann immer schneller.
    Dumont leckte sich nervös über die Lippen. Es schmeckte salzig und bitter. Wieder blickte er zum Dünenkamm hinauf. Er hatte keine Wahl. Hier am Strand konnte er nicht bleiben. Er wußte nicht, woher sein plötzlicher Gedächtnisschwund kam. Nicht das geringste Anzeichen gab ihm eine Erklärung für das, was mit ihm geschehen war. Am meisten wunderte er sich über
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