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Beast

Beast

Titel: Beast
Autoren: Ally Kennen
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verkehrtes Puzzleteil. Ich hab noch nie irgendwo reingepasst.
    Als ich hochgehen will, kommt Carol noch mal an.
    »Du hast Blut am Hals. Hast du dir ’nen Pickel ausgedrückt?«
    Ich will sie wegscheuchen, aber sie lässt sich nicht abwimmeln. Ich spucke mir in die hohle Hand und wische mir über den Hals. Carol und Robert fetzen sich alle naselang und Verity und Jimmy lassen es ihnen durchgehen. Daheim haben meine Brüder und ich uns immer gleich eine eingefangen.
    »Wenn du ausziehst, müssen wir dein Zimmer erst mal desinfizieren«, sagt Carol und tänzelt albern kichernd durch die Küche, dass ihr dunkles, schulterlanges Haar nur so wippt.
    Ich habe eine Theorie: Je mehr Rosa ein Mädchen trägt, desto boshafter ist es. Rosa ist Carols Lieblingsfarbe, obwohl sie eigentlich aus dem Alter raus ist. Ihr Haarband ist rosa, ihre Socken haben oben einen rosa Streifen, sogar ihr Kater Dudley muss ein rosa Plüschhalsband tragen. Es passt überhaupt nicht zu ihm. Dudley ist ein zehn Jahre |14| alter Raufbold und hat beim Kämpfen schon beide Ohren eingebüßt.
    Oben in meinem Zimmer mache ich den Fernseher an und höre, wie die Familie einer nach dem anderen die Treppe hochkommt.
    Gegen zehn klopft jemand. Es ist Jimmy.
    »Alles klar?«, erkundigt er sich. Er mustert die Wände und besonders eingehend die verknüllte Decke auf dem ungemachten Bett. Sein Blick wandert über den Teppich, sucht nach Beweisen für irgendwelche Schandtaten.
    »Bestens«, antworte ich und wechsle per Fernbedienung den Sender.
    »Wie steht’s mit der Arbeitssuche?«
    »Nicht so doll.«
    Jimmy lehnt sich an den Türrahmen. »Wenn du dein Auto behalten willst, brauchst du Arbeit.«
    »Schon klar.«
    Jimmy sagt, er lässt mich jetzt in Ruhe, und macht leise die Tür hinter sich zu.
    Eigentlich ist er ganz in Ordnung. Er ist so um die fünfzig und schon ewig ein vom Jugendamt offiziell anerkannter Pflegevater. Seit fünfundzwanzig Jahren gehen Typen wie ich bei ihm ein und aus. Ihn haut nichts mehr um. Vielleicht aber doch. Ich denke an das Schwein in meinem Auto und wie es die Matten im Kofferraum vollblutet.

    Um zwei Uhr morgens nehme ich meine Taschenlampe und schleiche die Treppe runter. Jedes Mal, wenn eine Stufe knarrt, kriege ich einen Schreck und bleibe stehen, |15| denn Carol hat Ohren wie ein Luchs. Einmal hat sie mich dabei ertappt, als ich mir mitten in der Nacht heimlich ein Brot geschmiert habe, und hat mich entgeistert angeglotzt, als wäre ich ein Einbrecher.
    Jimmy bewahrt sein Werkzeug im Gartenschuppen auf, der nie abgeschlossen ist. Das wundert mich echt. Man sollte meinen, nach so vielen Jahren mit solchen wie mir schließt er seine Sägen, Hämmer und Klebepistolen weg. Ich lege die Taschenlampe auf den Boden, öffne den Kofferraum und schaffe es irgendwie, mir das Schwein auf die Schultern zu wuchten. Es ist so schwer, dass es mir fast die Luft abdrückt. Das Vieh ist inzwischen schon ziemlich aufgetaut. Mir kommen Zweifel, ob ich es damit bis zum Schuppen schaffe. Mir tut alles weh, die Schultern, der Nacken, und mein Magen fühlt sich von der Anstrengung an, als ob er gleich platzt. Meine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, ich kann einigermaßen sehen, außerdem scheint der Halbmond ziemlich hell. Auf dem Rasen muss ich das Schwein absetzen, weil meine Knie zittern und die Beine nicht weiterwollen. Ich drehe mich nach dem mondbeschienenen Haus um, aber die Vorhänge bewegen sich nicht. Es ist so still, dass ich mein Herz schlagen höre. Als ich wieder bei Puste bin, packe ich die Folie und versuche, das Vieh daran über die Wiese zu schleifen. Das glatte Plastik lässt sich nicht vernünftig greifen, ich rutsche andauernd ab, und als sich das Schwein endlich von der Stelle rührt, reißt die Plane ein und die blanke Schwarte guckt raus. Zum Tragen habe ich nicht mehr genug Kraft, darum wälze ich das Vieh weiter. Das macht ein dumpfes Geräusch und ich habe Schiss, |16| dass jemand davon aufwacht, aber es hilft nichts, ich muss weitermachen. An der Schuppentür knie ich mich hin und schubse das Schwein mit zusammengebissenen Zähnen, zugekniffenen Augen und letzter Kraft über die Schwelle. Es bleibt zwischen dem Rasenmäher und einem Sack Katzenstreu liegen. Geschafft. Ich gönne mir eine Verschnaufpause. Ich bin außer Atem und mir ist ein bisschen schwindlig, aber ich bin voller Tatendrang. Draußen ist alles ruhig. Keiner hat mitbekommen, was ich hier treibe. Alles ist gut gegangen. Aber ich lasse mir nie mehr
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