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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
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tüchtig wie die Suse von Staatsanwalt. Der Wachtmeister weiß gar nichts. Der ist ganz dumm und ahnungslos. Wie der Streiter das wohl hingekriegt hat?
    Laut aber sagt er: »Nein, Bauern sind heute nicht vernommen. Aber vielleicht drehen Sie sich einmal um und sehen sich die Zuhörer an. Vielleicht sitzt dort Ihr Mann.«
    Während Polizeihauptwachtmeister Hart seine Musterung beginnt, faßt der Vorsitzende einen Mann scharf ins Auge. Der Mann wendet erst den Kopf fort, dann greift er in die Tasche, holt ein Taschentuch hervor und beginnt ein ausdauerndes, leises Nasereinigen.
    Was ihm aber nichts hilft, denn schnurstracks geht Hart auf ihn zu und erklärt laut (das Publikum ist aufs höchste gespannt): »Das ist der Mann.«
    »Sind Sie sicher?« fragt der Vorsitzende, »ist das der Mann, der Sie geneckt, verhöhnt und provoziert hat?«
    |621| »Jeder Irrtum ist ausgeschlossen, Herr Landgerichtsdirektor«, sagt der Wachtmeister. »Das ist der Mann. Damals hatte er Stulpenstiefel an, einen grünen Lodenanzug mit Joppe und einen grünen Hut mit Gamsbart. Der beste Beweis, daß er es ist: Er hat eben versucht, sein Gesicht vor mir zu verstecken.«
    »Ich habe gar nicht mein Gesicht versteckt«, sagt der Mann grob. »Ich habe einen Schnupfen, wenn ich einen Schnupfen habe, schnaube ich meine Nase. Ich bin Ihnen im Gegenteil dankbar, daß Sie mir Gelegenheit geben, meine Aussage zu ergänzen.«
    »Na, na«, sagt Hart, »daß Sie reden können, das habe ich …«
    Der Vorsitzende greift ein. »Die Zeugen haben nur zu sprechen, wenn ich sie frage. Herr Hart, dieser Herr ist aber kein Bauer, das ist Herr Kriminalkommissar Tunk aus Stolpe.«
    »Der Teufel …« Der Polizist spricht nicht weiter, er dreht sich um zum Pressetisch, er sieht auf Stuff.
    Aber Stuff schreibt.
    Hart dreht sich wieder zum Vorsitzenden. »Es ist so, wie ich gesagt habe. Und wenn der Herr Kriminalkommissar ist, dann verstehe ich gar nichts. Er hat mir gesagt:
› Wir
Bauern haben euch Polizisten niedergeschlagen – mach, daß du ausreißt, sonst lackieren
wir
euch die Fresse‹ … Das verstehe ich nicht, nein, Herr Landgerichtsdirektor …«
    Der Kommissar ist wieder vollkommen ruhig. Ihn erschüttert nichts.
    Der Vorsitzende fragt: »Ist die Schilderung, die Herr Hart uns von Ihrem Vorgehen gegeben hat, auch Ihrer Ansicht nach richtig?«
    »Vollkommen, Herr Landgerichtsdirektor, vollkommen. Ich möchte sagen, ich habe ihn noch mehr zu reizen versucht, als aus seinen Worten hervorgeht.«
    »Und warum das? Schien Ihnen das nicht bedenklich?«
    »Es schien mir richtig, Herr Landgerichtsdirektor. Ich handelte nach reiflicher Überlegung. Ich hatte gesehen, daß die Polizeimacht klein, die Bauern sehr zahlreich waren. Die |622| Bauern waren erregt und kampflustig. Die Polizei ruhig und scharfem Vorgehen abgeneigt.
    Zudem hatte ich die etwas laxe Haltung des Polizeioberinspektors gesehen, da hielt ich eine Prise Pfeffer für angebracht.
    Direkt durfte ich mich mit der Polizei nicht in Verbindung setzen. Da habe ich diesen Weg gewählt. Ich wollte die Polizei aufrütteln, kampflustiger machen, vor allem wollte ich erreichen, daß sie nicht von den Bauern vollkommen überrascht wurde.
    Wie Herr Hart uns eben mitteilt, habe ich dieses Ziel erreicht.«
    Im Zuschauerraum hat sich Oberinspektor Frerksen erhoben. Schritt für Schritt zog er dem Richtertisch näher, nun sagt er mehrmals rasch hintereinander: »Herr Landgerichtsdirektor! Herr Landgerichtsdirektor!«
    »Ja bitte, Herr Oberinspektor? Haben Sie noch etwas zur Sache mitzuteilen?«
    Mit vor Erregung zitternder Stimme erklärt Frerksen: »Der Herr Kommissar hat eben von meiner laxen Haltung gesprochen. Demgegenüber möchte ich feststellen, daß der Herr Kommissar in der Viehhalle mich zu meinem Vorgehen beglückwünscht hat. Er hat mir, ich weiß seine Worte noch genau, gesagt: ›Sie haben den Laden geschmissen.‹«
    »Das habe ich gesagt, Herr Landgerichtsdirektor«, sagt der unerschütterliche Kommissar. »Das ist richtig. Aber Sie hätten diesen Mann sehen sollen, als er sich auf mich stürzte – er kannte mich ja –, als er mich fragte, wie man in Stolpe das alles aufnehmen würde, ob er richtig gehandelt hätte und so weiter. Rein, um den Mann zu beruhigen, habe ich das gesagt, ganz privat natürlich, aus Freundlichkeit.«
    »Herr Kommissar …«, beginnt Frerksen.
    Aber der Vorsitzende greift ein. »Das ist ohne jedes Interesse für uns. – Hat noch jemand Fragen an den Zeugen Tunk? Sie, Herr
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