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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
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irr-deutlich sechs, acht Gesichter, er sieht plötzlich den Kerl von der »Chronik« mit dem Photoapparat in der Hand, er sieht noch, wie ein Bauer mit dem Stock nach dem Apparat schlägt …
    Dann ist die Glut da, die Hitze, stechender Qualm.
    Er sieht nichts mehr. Der Stier reißt ihm die Hand ab, so zerrt er am Strick.
    Und nun steht er an einem Baum. Er ist durch, die Straße vor ihm ist frei, er atmet schwer mit versagenden Lungen.
    Dann schaut er sich um. Dicke weißgelbe Qualmschwaden wälzen sich über Wiese und Weide. Schatten huschen darin.
    |38| Wo ist Thiel?
    Dann sieht er den andern Stier über eine Wiese rasen, führerlos, mit hocherhobenem Schwanz und gesenktem Kopf.
    Er wartet eine Viertelstunde, eine halbe. Er kann nicht fort von dem Tier, es gehört dem Staat. Schließlich gibt er das Warten auf. Der Thiel wird sich schon wieder anfinden. Die Bauern tun niemand nichts.
    Kalübbe nimmt mit seinem Ochsen den Weg nach Lohstedt unter die Füße.

|39| ZWEITES KAPITEL
Jagd nach einem Photo
    1

    Es ist abends gegen elf. Stuff ist eben aus dem Kino gekommen und hat sich im Tucher zu Wenk an den Tisch gesetzt.
    »Was trinkst du? Nur Bier? Nee, das genügt nicht, bei mir burren die trüben Fliegen heut wieder. – Franz, einen halben Liter Helles und eine Kömbuddel.«
    »Wie war’s im Kino?«
    »Mist, verdammter. So was muß man morgen loben, bloß weil die Affen inserieren.«
    »Was war’s denn?«
    »So ein erotischer Schmarren. Was Ausgezogenes.«
    »Das ist doch was für dich?«
    »Hau ab, Wenk! Was die heute schon Erotik nennen! Wozu ausziehen? Man weiß ja schon alles vorher.«
    Stuff trinkt. Erst einen Schnaps. Dann einen langen Schluck Bier. Dann wieder einen Schnaps.
    »Das ist das Richtige. Solltest du auch tun. Das macht Stimmung.«
    »Geht nicht. Darf nicht. Mein Wachtmeister schimpft, wenn ich nach Schnaps stinke.«
    »Gott ja, deine Olle. Komisch muß das sein, immer dieselbe. So gar keine Überraschung. Macht das denn noch Spaß?«
    »Spaß? Ehe ist doch kein Spaß.«
    »Eben. Hab ich mir immer schon gedacht. Und ohne Überraschungen. Nee, danke. Weißt du, das ist ja der Mist bei der modernen Frauenkleidung: Man weiß alles schon vorher. Diese blöden Schlüpfer! Früher, die weiten, weißen offenen Hosen!« Er versinkt in Schwärmerei.
    »Wo sitzt eigentlich dein Mann?« stört ihn Wenk.
    »Wieso? Mein Mann? Ach so, der Kalübbe! Dort. Der |40| übernächste Tisch. Der Griese, der Skat spielt, so ein bißchen dick.«
    »So, das ist Kalübbe«, sagt Wenk enttäuscht. »Den hätt ich mir anders gedacht.«
    »Anders gedacht. Der ist gut so, wie er ist. Schon die beiden Kerle, die mit ihm spielen. Das muß die reine Freude sein für den Herrn Finanzrat.«
    »Wer ist denn das?«
    »Na, den in der grauen Uniform mußt du doch kennen. Den kennt doch jedes Kind. Nicht? Das ist der Hilfswachtmeister Gruen aus dem Kittchen. Mall-Gruen nennen sie ihn, weil er verrückt ist, seit ihn die Muschkoten November achtzehn an die Wand gestellt haben.«
    »Warum denn?«
    »Weil er sie zu sehr gezwiebelt hat, wahrscheinlich. Sie haben nach ihm Scheibenschießen gemacht, und daß er dabei leben geblieben ist, das hat er, glaub ich, selber noch nicht kapiert. – Du mußt mal aufpassen, wenn die Rechten schwarzweißrot flaggen, dann kann er an keiner Flagge vorüber. Zieht den Hut und verkündet: ›Unter dieser Fahne haben wir nicht gehungert.‹ Die Kinder laufen ihm in Scharen nach.«
    »Und so was ist Beamter?«
    »Warum nicht? Zellen wird er wohl noch auf- und zuschließen können.«
    »Und der dritte?«
    »Das ist der Lokomotivführer Thienelt. Dienstältester Lokomotivführer im Bezirk. Hinter dem ist schon die ganze Reichsbahndirektion hergewesen, er soll Dienstuniform anziehen. Er tut es nicht. Warum wohl?«
    »Keine Ahnung. Sag schon.«
    »Na, sehr einfach. Er tut es nicht, weil er dann die Dienstmütze aufsetzen müßte. – Du bist zu doof, Wenk. Saufen kannst du gut, aber zu doof bist du doch. – Weil an der Dienstuniform ein neumodischer Adler ist, und er ist noch für die altmodischen …«
    »Und er tut’s nicht?«
    |41| »Er tut’s nicht. Nun haben sie ihn auf ’ne Rangierlokomotive gesetzt, aber er denkt: Meine zwei Jahre bis zur Pension halt ich’s noch aus. Die Oberen lassen ihn jetzt in Ruhe, aber die Kollegen. Kollegen sind immer das Schlimmste.«
    Pause. Stuff trinkt ausgiebig.
    »Mittlerweile könnte der Kalübbe endlich mal pinkeln gehen, daß ich ihn draußen unauffällig sprechen
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