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BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Abgeschiedenheit zu finden? Ich war mir mit einem Mal sicher, dass sie diese Gewohnheit nie aufgegeben hatte. Doch was machte sie um diese Zeit hier? Der Tierpark hatte seit über fünf Stunden geschlossen. Beunruhigt blickte ich den Zaun entlang. Die Straße lag verlassen im kalten Schein der Sterne. Ich wollte schlucken, aber kein Speichel sammelte sich in meinem Mund.
    Es war, als sei sie in ein tiefes Loch gefallen; nicht einmal das hohe Klicken ihrer Absätze war mehr zu hören. Während ich keuchend den Zaun ablief, verfluchte ich mein jämmerliches Unvermögen. Ich hatte mich ablenken lassen. Selbst einem Amateur-Spion wie mir durfte das nicht passieren. Das Stechen in meiner Seite war eine viel zu milde Bestrafung. Kopflos irrte ich umher.
    Eine helle Schachtel am Zaun weckte mein Interesse. Als ich sie näher betrachtete, nickte ich mir zu. Mein Spürsinn hatte mich noch nicht gänzlich verlassen. Es war keine Schachtel; vor mir auf dem Bürgersteig lag ein hochhackiger, weißer Damenschuh; die Sorte, die Natascha bevorzugte. Ich fühlte mich wie der Prinz in ›Cinderella‹. Würde Natascha nach Mitternacht etwa auch zur armen Magd werden? Der Gedanke war nicht einmal so abwegig, die ganze Sache bekam immer mehr märchenhaft unwirkliche Züge.
    Mit dem Schuh in der Hand äugte ich ungläubig zum oberen Rand des Maschenzauns. Ich schätzte seine Höhe auf über drei Meter. Um Eindringlinge abzuschrecken, hatte man zusätzlich Stacheldraht angebracht. Ich schüttelte den Kopf. Unmöglich, sagte ich mir, dennoch krallte ich meine Finger in die Drahtmaschen und zog mich hinauf. Ich musste etwas tun, so verrückt es auch sein mochte und dies hier war meine einzige Spur. Ich dachte nicht mehr nach über ›warum‹ oder ›wieso‹; ich handelte einfach.
    Der Draht riss mir zwei tiefe Schrammen in die Handflächen, aber ich spürte es kaum. Mein Körper hatte von nun an störende Empfindungen wie Schmerz und Müdigkeit vollkommen ausgeschaltet. Auf der anderen Seite wurde mein Sprung von weichem Grasboden abgefedert. Ich war auf der richtigen Fährte: neben einem Busch, keine zwei Meter von mir entfernt, lag das Gegenstück zu Cinderellas Glaspantoffel. Wie in einem Traum lenkte ich meine Schritte über die Wiese. Es gab nur einen Ort, an dem sie sein konnte.
    Das Raubtierhaus war ein langer, stumpf glänzender Silberbarren. Ruhig. Erstarrt.
    Langsam kam ich näher. Eine beinahe unwirkliche Stille umfing mich; selbst das Zirpen der Grillen war verstummt. Kurz vor dem Eingang blieb ich stehen. Da war doch etwas. Undeutliche brummende und kreischende Töne. Sie kamen direkt aus dem Inneren des Hauses.
    Meine Hände zitterten so stark, dass ich sie erst eine Weile auf dem breiten Aluminiumgriff zur Ruhe kommen ließ. Erst dann drückte ich dagegen. Die Tür war offen, ohne Widerstand schwang sie nach innen. Eine Kakophonie aus Grunzen, Brüllen, Knurren, Kreischen und noch vielen anderen Lauten schlug über meinem Kopf zusammen. Ein infernalischer Lärm. Während der Nacht glommen in der Halle nur einige wenige grünlich schimmernde Lämpchen; das Licht reichte jedoch aus, um die Urheber dieses Teufelskonzerts aufgeregt hinter ihren Gitterstäben hin und her laufen zu sehen. Seit meinem letzten Besuch hatte sich einiges geändert. Nun schien jeder Käfig eine oder mehrere Katzen zu beherbergen, und alle schrien sie wild durcheinander.
    Nur sehr widerwillig löste ich mich von der Tür. Ich atmete mit offenem Mund. Ein Kopfschmerz von seltener Intensität pochte in meinen Schläfen. Ich blinzelte zum anderen Ende des Raumes und blieb stehen. Ich war allein in der Halle. Wie schon einmal – nur die Katzen und ich. Doch jetzt war etwas anders; alles sah zwar aus wie immer, aber ich wusste es besser: ETWAS STIMMTE HIER NICHT! Etwas war in dieses Haus gedrungen, was die Tiere erregte und beunruhigte. Ängstigte?
    Ich hatte die Halle halb durchquert, als ich die Sachen am Boden liegen sah. Es waren nur zerknüllte Kleider, aber sie erzählten mir eine ähnlich schreckliche Geschichte wie die stehengebliebenen Uhren im Museum von Hiroshima. Der Alptraum begann. Fast ohnmächtig vor Angst und Grauen starrte ich auf den Boden. Ein weißer Rock lag dort, etwas weiter eine schwarze Seidenbluse. Zwei Knöpfe waren abgerissen; wie zwei böse, schwarze Augen funkelten sie mich von unten an. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, taumelte ich weiter. Ich trat auf die Überreste zerfetzter Nylonstrümpfe, ohne sie richtig zu
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