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BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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Strecke haben?«
    »Nein, nein«, wehrte ich ab. »Wir machen nur Stichproben.« Zerstreut drückte ich ihm ein paar Scheine in seine Wurstfinger. »Stimmt so, vielen Dank.« So schnell es eben ging, kroch ich aus dem Wagen. Im Schutz eines uralten Ahornbaumes wartete ich gespannt ab.
    Natascha war eine der letzten, die den Bus verließ; überall um sie herum strömten die Menschen zielstrebig in alle Richtungen. Nur, sie schien sich im Unklaren darüber zu sein, wohin sie wollte. Lange stand sie einfach nur wie verloren da und bildete eine kleine Insel inmitten des wirbelnden Strudels der Nach-Hause-Eilenden. Schließlich war sie allein auf der Straße. Niemand kam, um sie abzuholen. Hatte ihre Verabredung sie versetzt? Oder war sie einfach in einen Bus eingestiegen, ohne zu wissen, wohin die Reise ging? Ihre Unentschlossenheit konnte für beides ein Indiz sein. Hinter meinem Baum trat ich ungeduldig von einem Bein aufs andere; Natascha tat alles, um einen Verfolger zur Weißglut zu bringen.
    Endlich hörte ich ihre Absätze auf dem Asphalt des Wendeplatzes. Ich beobachtete, wie sie im Eingang der winzigen Bar, die quer auf der gegenüberliegenden Seite lag, verschwand. Grüne ›Coors‹-Reklame flackerte im Inneren. Was nun? Sollte ich in den Laden stürmen, um sie in flagranti mit einem anderen Typen zu erwischen? Das Risiko war zu groß. ›Abwarten‹ hieß die Devise aller guten Detektive. Ich tauschte den Baum mit den Überresten eines ehemaligen AmPm-Mini-Markts ein und richtete mich so gut es eben ging dort ein. Die Zeiger meiner Uhr waren mittlerweile auf 19 Uhr 3 weitergewandert.
    Die Minuten krochen dahin wie schleimige Schnecken. Über zwei Stunden musste ich in der übelriechenden Laden-Ruine ertragen, bis Natascha wieder auf der Bildfläche erschien. Auch jetzt war sie allein. Ich begriff einfach nicht, bei was ich sie hier beobachtete.
    Sie schlug nun eine andere Richtung ein; links von der Haltestelle bog sie in eine schwach beleuchtete Straße ein. An ihrem Tempo konnte man ablesen, dass sie nun ein festes Ziel vor Augen hatte. Ich stöhnte. Die Reise ins Unbekannte war also noch nicht vorüber. Sie hat soeben erst begonnen , flüsterte mir eine dunkle, innere Stimme zu.
    Wie ein starkes Metronom schlugen ihre Absätze den Takt, dem die weichen Sohlen meiner Turnschuhe lautlos gehorchten. Je weiter wir gingen, umso verlassener wurde die Gegend. Die Häuser standen jetzt nur noch vereinzelt an beiden Seiten der Straße; dazwischen gähnten breite Lücken, die teilweise notdürftig mit Bretterverschlägen abgetrennt waren.
    Der Verdacht eines heimlichen Rendezvous schmolz mit jedem weiteren Schritt dahin. Langsam überlagerte eine zähe Müdigkeit meine Anspannung. Ich war das stundenlange, meist unbequeme Warten nicht gewohnt; jedes meiner Beine wog einen Zentner. Natascha eilte voraus, als wollte sie die Spätnachrichten nicht verpassen. Es war kurz vor elf.
    Obwohl die Lichtmasten in regelmäßigen Abständen gelbe Flecken auf den Boden warfen, wurde es zunehmend dunkler. Hohe, schlanke Palmen saugten von den Rändern her durstig jede Helligkeit. Ohne jeden Zweifel hatten wir soeben die Ausläufer des Freedom-Hill-Parks erreicht. Mir kam die Gegend seltsam bekannt vor, etwas anderes lag noch hier oben im Norden. Ein Ort, an dem ich schon gewesen war. Es fiel mir aber nicht ein, was es war.
    Als mich Natascha an einem hohen Maschendrahtzaun entlang führte, blieb ich plötzlich wie vom Donner gerührt stehen. Ein kleines Blechschild ließ mich erstarren. ›SHERMAN TIERPARK‹ las ich, ›TÄGLICH GEÖFFNET‹.
    Das war es also. Hier hatte alles begonnen, vor zehntausend Jahren.
    Ich schloss die Augen, um klarer denken zu können. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir seitdem nie wieder hier gewesen waren. Eine merkwürdige Sache, wenn man bedachte, wie sehr Verliebte einen derartigen Ort für gewöhnlich verehrten. Aber wir waren kein normales Liebespaar, wir waren zwei wilde, rücksichtslose Süchtige, die nie genug voneinander bekommen konnten. Wir brauchten keine Orte der Erinnerung, um unsere Gefühle aufzufrischen. Unsere Liebe war für das Hier und Jetzt bestimmt. So war es jedenfalls bis vor kurzem noch gewesen.
    Doch Natascha lebte auch in der Vergangenheit, sagte ich mir. Ihre Wohnung war ein einziges Museum der Erinnerungen. Ein anderer Gedanke kam mir in den Sinn: Hatte mir Natascha damals bei unserem ersten Treffen nicht erzählt, sie besuche recht häufig den Zoo, um Ruhe und
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