Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bastard

Bastard

Titel: Bastard
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Baseballkappe mit dem Emblem der Yankees, die er, da er nun im Revier der Red Sox lebt, auf eigene Gefahr trägt, und seine altmodische Nickelbrille.

    Ich kann nicht erkennen, ob er sich das schüttere graue Haar heute abrasiert hat, aber er ist frisch gewaschen und verhältnismäßig gepflegt. Außerdem hat er weder ein vom Whiskey gerötetes Gesicht noch einen aufgedunsenen Bierbauch. Seine Augen sind nicht blutunterlaufen, seine Hände ruhig. Ich rieche auch keine Zigaretten. Also ist er noch immer sauber, und das in mehr als einer Hinsicht. Marino hat eine solche Menge von Problemen, dass er sie aneinanderreihen könnte wie die Waggons eines Zuges, der durch die unbefriedeten Gebiete seiner angeborenen Neigungen rattert: Sex, Alkohol, Tabak, Essen, Fluchen, Vorurteile, Faulheit. Vermutlich sollte ich noch mangelnde Wahrheitsliebe hinzufügen. Wenn es ihm in den Kram passt, weicht er aus oder lügt wie gedruckt.
    »Ich nehme an, Lucy ist beim Hubschrauber …«, beginne ich.
    »Weißt du, dass die sich hier geheimniskrämerischer anstellen als bei der gottverdammten CIA, wenn du gerade an einem Fall arbeitest?«, unterbricht er mich, während wir in den Purple Heart Drive einbiegen. »Dir hätte die Bude abbrennen können, ohne dass dir jemand ein Sterbenswörtchen gesagt hätte. Fünfmal habe ich angerufen. Also musste ich eine Managemententscheidung treffen und bin mit Lucy hergeflogen. «
    »Es wäre sehr hilfreich, wenn du mir den Grund dafür verraten würdest.«
    »Niemand wollte dich stören, während du den Soldaten aus Worcester untersucht hast«, fügt er zu meiner Überraschung hinzu.
    PFC Gabriel stammte aus Worcester, Massachusetts, und ich kann mir nicht erklären, woher Marino weiß, welchen Fall ich hier in Dover auf dem Tisch hatte. Das hätte ihm niemand verraten dürfen. Alles, was wir hier in Port Mortuary tun, ist mit äußerster Diskretion zu behandeln, wenn nicht gar streng
geheim. Ich frage mich, ob die Mutter des gefallenen Soldaten ihre Drohung wahr gemacht und sich an die Medien gewandt hat. Hat sie sich bei der Presse beschwert, die weiße Gerichtsmedizinerin, die ihren Sohn obduziert habe, sei eine Rassistin?
    Ehe ich nachhaken kann, spricht Marino weiter. »Offenbar ist er der erste Kriegstote aus Worcester, weshalb sich die Journalistenmeute vor Ort daraufgestürzt hat. Wir hatten einige Anrufe. Anscheinend haben die Leute nicht ganz durchgeblickt und geglaubt, dass jeder Tote mit Wohnort in Massachusetts bei uns landet.«
    »Man möchte meinen, die Reporter müssten inzwischen wissen, dass alle Gefallenen direkt hierher nach Dover gebracht werden«, entgegne ich. »Bist du sicher, dass das die Erklärung für das Medienecho ist?«
    »Warum?« Er betrachtet mich. »Kannst du dir eine andere vorstellen, von der ich nichts ahne?«
    »Ich habe bloß gefragt.«
    »Ich kann nur sagen, dass einige Leute angerufen haben. Wir haben sie nach Dover verwiesen. Du warst mit dem Jungen aus Worcester beschäftigt, weshalb dich niemand ans Telefon holen wollte. Also habe ich schließlich General Briggs angerufen, als wir, nur noch zwanzig Minuten von hier entfernt, in Wilmington aufgetankt haben. Der hat dann Captain Do-Bee losgeschickt, um dich aus der Dusche zu holen. Ist sie eigentlich solo? Oder singt sie in Lucys Chor? Sie sieht nämlich nicht schlecht aus.«
    »Woher weißt du, wie sie aussieht?«, wundere ich mich.
    »Du warst nicht da, als sie auf dem Weg zu ihrer Mutter in Maine im CFC vorbeigeschaut hat.«
    Ich versuche mich zu erinnern, ob mir das jemals mitgeteilt worden ist. Marino führt mir gerade in aller Deutlichkeit vor Augen, dass ich keine Ahnung habe, was sich im Cambridge
Forensic Center, das ich eigentlich leiten sollte, in letzter Zeit abgespielt hat.
    »Fielding hat ihr die große Besichtigungstour verabreicht und sich als Gastgeber in die Brust geworfen.« Marino kann Jack Fielding, meinen Stellvertreter, nicht leiden. »Die Sache ist, dass ich wirklich versucht habe, dich zu erreichen. Ich wollte nicht einfach so hereinplatzen.«
    Marino weicht mir aus, und der Ablauf, wie er ihn mir schildert, deckt sich ganz sicher nicht mit den Tatsachen. Frei erfunden. Aus irgendeinem Grund hielt er es für nötig, mich mit seinem Besuch zu überraschen. Vermutlich, weil er sichergehen wollte, dass ich ihn auf der Stelle begleite. Mir schwant Übles.
    »Du bist sicher nicht wegen des toten PFC Gabriel hier hereingeplatzt, wie du es ausdrückst«, merke ich an.
    »Ich fürchte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher