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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition)
Autoren: Annette Eisenmann
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Mutter.
    „Er wollte für sich sein und im Internet surfen, aber Melanie hat das nicht verstanden“, ergänzte Roland Fuhrmann.
    Dann sah er seine Frau an, als wolle er ihre Erlaubnis, etwas preiszugeben, das sie lieber für sich behalten hätten.
    „Wissen Sie“, sagte er zögernd, „Melanie hätte es eigentlich besser wissen müssen.“
    „Ich verstehe nicht.“
    Wieder zögerte Tonys Vater kurz. „Er hatte bisher zwar noch nie Melanie selbst etwas angetan, aber sie wusste, wozu er fähig war.“
    Elisabeth schwieg, aber sie spürte, wie ihr Herz immer heftiger pochte.
    Roland Fuhrmann fuhr fort: „Sie hat oft genug gesehen, wie Tony sich gegenüber uns verhalten hat.“
    „Gegenüber Ihnen?“
    „Er hat nach uns geschlagen und getreten. Lange Zeit vor allem nach meiner Frau, weil sie die Schwächere war. Sie hat es mir erst vor kurzem gestanden. Aber inzwischen auch nach mir. Ich war deswegen sogar schon bei einem Psychologen.“
    Er griff nach der Hand seiner Frau. Sie hielt seine Hand fest und sah auf den Boden.
    Elisabeth war sprachlos. Was die Eltern da erzählten, widersprach völlig dem Bild, das ihre Tochter Franzi, Ralfs Mutter Irmtraud und inzwischen auch Gwanwyn von Tony vermittelt hatten.
    „Können Sie mir Namen und Adresse dieses Psychologen geben?“
    „Natürlich“, sagte Roland Fuhrmann. Dann stöhnte er auf. „Er hat mir geraten, Tony in eine Kinderpsychiatrie einweisen zu lassen. Aber ich habe das nicht übers Herz gebracht. Er wäre doch nie damit einverstanden gewesen.“
    Er sah Elisabeth flehentlich an. „Ich wollte ihn nicht gegen seinen Willen einsperren lassen. Oh Gott, wenn ich es nur getan hätte, dann würde Melanie noch leben.“
    Jetzt liefen auch noch Tränen über Roland Fuhrmanns Wangen. Er wischte sie weg und beugte sich zu Elisabeth vor. „Was wird jetzt mit unserem Sohn?“, fragte er. „Er hat das nicht absichtlich getan. Er ist psychisch krank. Es muss ihm schrecklich gehen.“
    Er wandte sich an seine Frau. „Wir müssen für Tony ein paar Sachen zusammenpacken. Einen Schlafanzug, Unterwäsche, Waschzeug. Und dann fahren wir zu ihm.“
    „Ich nehme die Sachen mit“, sagte Elisabeth schnell. „Sie können ihn vorläufig nicht sehen, immerhin hat er eine schwerwiegende Anschuldigung gegen Sie vorgebracht.“
    Roland Fuhrmann protestierte. „Er hat einen Schock. Er weiß nicht, was er sagt.“
    „Das mag sein. Trotzdem.“ Sie räusperte sich. „Wer hat sich eigentlich hauptsächlich um Melanie gekümmert?“
    Wieder sahen die Eltern einander an, und Roland Fuhrmann antwortete: „Nun, das war Tony.“
    „Warum er?“ Elisabeth wandte sich an Tonys Mutter. „Warum zum Beispiel nicht Sie?“
    „Weil er es wollte. Er bestand darauf.“ Wieder hatte Roland geantwortet.
    „Wir konnten es ihm nicht ausreden. Da war er ganz stur“, ergänzte die Mutter. „Von uns ging das nicht aus. Wir hätten Melanie gerne in ein ganz wunderbares Betreuungszentrum am Bodensee gegeben. Dort wäre sie bestens gefördert worden. Aber wegen Tony haben wir es nicht gewagt.“
    Wieder übernahm Roland Fuhrmann: „Unser Sohn glaubte, dass nur er seine Schwester beschützen konnte. Er hatte sich da in etwas verrannt. Er sah sich und Melanie von Feinden umzingelt.“
    „Und diese Feinde waren vor allem wir“, ergänzte die Mutter.
    Elisabeth fühlte sich immer weniger wohl in ihrer Haut. Die Eltern gaben zwar plausible Erklärungen ab, aber ihre Intuition sagte ihr, dass sie einer oscarreifen Filmvorführung beiwohnte. Gleichzeitig wusste sie, dass sie der Staatsanwaltschaft eindeutige Beweise vorlegen musste. Da zählten nur die Fakten und nicht ihre Gefühle.
    Bedrückt stand sie auf.
    Auch Roland Fuhrmann stand auf und sagte, ganz der gramgebeugte Vater: „Wir lieben unseren Sohn, Frau Kommissarin, obwohl er das getan hat. Aber er braucht Hilfe.“
    „Sicher“, antwortete Elisabeth kühl.
     
    Eine halbe Stunde später führte sie der Stationsarzt zu Tonys Krankenzimmer.
    „Er steht unter Schock, außerdem hat er eine schwere Gehirnerschütterung“, erklärte er.
    „Eine Gehirnerschütterung? Wie kann er sich die zugezogen haben?“
    „Ein Schlag oder ein Sturz. Keine Ahnung. Leider hat er sich geweigert, mit uns zu sprechen.“
    „Wie lange werden Sie ihn hierbehalten müssen?“
    „Ein paar Tage sicher. Aber da ist noch etwas.“ Der Arzt blieb stehen und senkte die Stimme: „Der Junge ist voller alter Narben. Als wäre er über Jahre misshandelt
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