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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition)
Autoren: Annette Eisenmann
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Er brachte etwas Langes und Schmales zum Funkeln. Auch der Römer entdeckte es.
    „Warum hast du dein Schwert weggeworfen?“, fragte er.
    „Weil es Zeit ist zu sterben, Thraker.“
    „Ich hätte dich im Kampf töten können, wie es sich gehört.“
    „Das hättest du nicht, glaube mir.“
    „Ich bin ein guter Kämpfer.“
    „Nicht so gut wie ich.“
    Der junge Soldat beschloss, den seltsamen Wettstreit zu beenden. „Dann hatte ich ja richtig Glück.“
    „Das hattest du, Thraker, in der Tat.“
    Und die beiden Männer sahen einander schweigend an.

                                                              II          
     
    Köln
     
    Tony spürte nichts mehr. Gleichzeitig war es still geworden. So still, dass er selbst die Schläge und Tritte, die sie austeilten oder einsteckten, nicht mehr hören konnte. Er schwang sich hinauf. Jetzt schwebte er über dem Geschehen und nahm es wie einen Stummfilm wahr. Das gelang ihm in letzter Zeit immer öfter. Seine Trainer und Kampfgegner fürchteten ihn deswegen, denn er traf in diesem Zustand präziser denn je. Doch es funktionierte auch umgekehrt: Sogar wenn er so stark getroffen war, dass er zu Boden ging, schienen ihn die Schläge seiner Gegner nicht wirklich zu erreichen.
    Und das war gut so.
    Denn gegen Schläge konnte man nichts tun. Das Leben teilte sie aus. Vor allem sogenannte Väter teilten sie aus. Aber ob man sich davon beeindrucken ließ, das hatte man sehr wohl in der Hand.
    Als er noch kleiner war und sich nicht zur Wehr setzen konnte, war die Gefühllosigkeit sein erster Schutz gewesen. Während die Schläge auf ihn einprasselten, stellte er sich vor, dass er seinen Körper verließ und in eine dunkle Höhle hinabkletterte. Dort traf er auf ein Ungeheuer, das er besiegen musste. Noch war es ihm nicht gelungen, obwohl er schon oft in der Höhle war. Das Ungeheuer lebte munter weiter. Aber jedes Mal, wenn er hinabstieg, versuchte er es aufs Neue.
    Im Lauf der Zeit hatte er gelernt, einzuschätzen, wann die Schläge kamen. Aber immer funktionierte das nicht, denn sein Vater Roland brauchte keinen vernünftigen Grund, um auszurasten. Es war mit ihm wie mit einer riesigen Klapperschlange, einer besonders wachen und bösen Schlange. Man musste sie immerzu im Auge behalten, sich jede Bewegung genau überlegen und ihr vor allem nie den Rücken zukehren. Wie bei dem Ungeheuer in der Höhle.
    Dann hatte er seinen ersten Kung-Fu-Film gesehen. Mit offenem Mund und immer heftiger pochendem Herzen hatte er vor dem Fernseher gesessen. Es war eine Offenbarung gewesen. Da gab es eine Kampfkunst, bei der man nicht groß und stark sein musste und auch keine teuren Waffen brauchte, nein, die Hände und Füße, und natürlich der Kopf, das heißt das, was drinnen war, der Verstand, waren dazu nötig. Denn diese chinesischen Kämpfer, die sich gegen übermächtige Gegner zur Wehr setzten, waren auch verdammt listig. Und er hatte Verstand. Das wusste er.
    Seine erste List hatte darin bestanden, sich vor zwei Jahren unter falschem Namen mit einer gefälschten Erlaubnis seiner angeblichen Eltern in diesem Kampfsportclub anzumelden. Und jetzt war er einer der besten.
    Seine Gegner wurden immer älter und besser. Und heute kämpfte er gegen Uwe. Er war der allerbeste. Und er war schon achtzehn. Ganze fünf Jahre älter.
    Da, bumpf, noch ein Schlag. Uwe sackte zusammen.
    „Es ist gut, Siggi!“, brüllte der Trainer Shifu Reinhold.
    Siggi. Was für ein saublöder Name. Aber er war selbst schuld. Schließlich war es seine Entscheidung gewesen, sich hier als Siegfried Schwarz anzumelden. Tony trat einige Schritte zurück und verneigte sich. Es war immer noch still in der Halle. Und erst jetzt bemerkte er, dass niemand mehr trainierte. Alle hatten den Kampf beobachtet und starrten jetzt stumm und entsetzt auf ihn und den sich am Boden krümmenden Uwe.
    Tony peilte die Tür zu den Umkleidekabinen an und floh. Respektvoll bildeten seine Zuschauer ein Spalier. Es war schmal. Und es war unangenehm, hindurchgehen zu müssen. Von der Situation eines Kampfes abgesehen, hasste er es, in zu engen Körperkontakt mit anderen zu kommen. Er setzte seinen grimmigsten Gesichtsausdruck auf sein sowieso schon grimmiges Gesicht, und sofort wichen sie zurück.
    Nur einer hatte sich von Anfang an einige Meter entfernt gehalten, denn er kannte ihn besser als alle anderen. Das war sein Klassenkamerad Ralf. Als ihre Blicke sich
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