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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition)
Autoren: Annette Eisenmann
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sich zurück.
    Bevor er seine Zimmertür zukickte, konnte er noch hören, wie seine Mutter Melanie fragte: „Was meinst du zu der Bluse?“
    Gleich danach eilte sie wieder in ihr Tageszimmer. In dem verzweifelten Versuch, sich noch attraktiver zu machen. Für Roland.
    Gott, noch fünf Jahre, noch scheißverdammte fünf ganze Jahre, bis er achtzehn und volljährig war. Und dann noch einmal drei Jahre, bis Melanie volljährig war. Und wieder kam, wie jeden Tag, der Gedanke an eine Flucht. Eine Flucht zusammen mit Melanie.
     
    Die Betreuerin Irmtraud kam zur selben Zeit wie ihr Sohn Ralf vor dem Eingang des mehrstöckigen Hauses an, in dem sie zur Miete wohnten. Sie stiegen die Treppen hinauf. Ralf, der gerade aus dem Training kam, sprang leichtfüßig nach oben, seine Mutter war sofort aus der Puste.
    „Mama, du solltest Sport treiben.“
    „Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen.“
    „Das ist die falsche Art von Bewegung.“
    „Danke.“
    „Natürlich musst du auch weniger essen.“
    „Das versuche ich doch.“
    „Und dann futterst du wieder eine ganze Tafel Schokolade.“
    „Ich brauche auch ein bisschen Freude im Leben.“
    „Dir fehlt ein Mann.“
    Jetzt reichte es Irmtraud. „Das ganz bestimmt nicht.“
    „Doch.“
    „Du redest Unsinn, mein Sohn. Subject closed. Los, schließ die Tür auf.“
    Ralf holte seinen Schlüssel aus der Hosentasche. „Tony hat heute beim Training Uwe besiegt.“
    „Da war er sicher ganz schön stolz.“
    Ralf schloss auf, und sie gingen hinein. „Keine Ahnung. Man weiß ja nie, was in ihm vorgeht. Außerdem war er gleich danach weg.“
    „Ach, deshalb ist er heute früher gekommen.“
    „Redet er bei euch eigentlich? Ich meine, antwortet er auf Fragen?“
    Irmtraud sah ihren Sohn verwundert an. „Natürlich. Ich finde ihn sehr nett. Er ist außergewöhnlich erwachsen für sein Alter, sehr einfühlsam. Alle mögen ihn und freuen sich, wenn er etwas länger bleibt.“
    Ralf konnte es nicht fassen. „Beim Kampfsport verstehe ich sein Verhalten ja noch. Er will einfach richtig gut werden und keine Zeit mit Quatschen verschwenden. Aber in der Schule ist es echt lästig. Nur Franzi hat so eine Art Beziehung zu ihm.“
    Er begann, den Tisch zu decken. Irmtraud warf mehrere Weißwürste in einen Topf mit heißem Wasser.
    „Franziska ist mit Tony befreundet?“, fragte sie.
    „Nein, das nicht direkt. Er ist mit niemandem befreundet.“
    Ralf nahm den süßen Senf aus dem Kühlschrank und stellte ihn auf den Tisch.
    „Statt ihm Fragen zu stellen, die er sowieso nicht beantwortet, wendet sie sich immer wieder mit Bemerkungen an ihn, auf die man nichts sagen muss. Das lässt er sich gefallen. So sieht es dann aus, als kämen sie prima miteinander klar.“
    „Das heißt, sie bezieht ihn einfach mit ein?“
    „Genau.“
    „Das ist ziemlich klug.“
    „Sie will ja auch mal Psychologin werden.“
    „Nicht Archäologin wie ihr Vater?“
    „Auf keinen Fall. Sie wird Polizeipsychologin. Wusstest du, dass ihre Mutter Kommissarin bei der Kriminalpolizei ist?“
    „Nein, das wusste ich nicht. Franziska hat wirklich interessante Eltern.“
    „Du könntest dir einen Polizisten suchen.“
    „Vergiss es.“
    „Oder einen Archäologen. Oh, da fällt mir noch was ein. Bei Franzis Vater im Museum arbeitet jetzt eine Frau aus Wales als Researcherin. Die hat einen irren Namen.“
    „Wie heißt sie denn?“
    „Gwanwyn. Das ist walisisches Keltisch. Toll nicht?“
    „Catherine Zeta-Jones ist auch Waliserin.“
    „Wer?“
    Irmtraud seufzte. „Die Schauspielerin, die in Zorro die Tochter spielt.“
    „Die? Echt?“
    Ralf schüttete die frischen Brezeln, die seine Mutter gekauft hatte, in ein Körbchen und stellte es auf den Tisch. Mit seinen Gedanken war er jedoch immer noch bei seinem seltsamen Klassenkameraden.
    „Hast du Tonys Eltern mal kennen gelernt?“
    „Ja, bei der Theateraufführung waren sie da.“
    „Wie sind die so?“
    „Sehr nett. Vor allem von seinem Vater waren alle sehr angetan.“
    „Wieso ist Tony dann so zu?“
    „Weißt du, ich mochte seinen Vater trotzdem nicht. Ich glaube, der spielt nur etwas vor und ist in Wirklichkeit ganz anders.“
    Ralf blieb mit dem Mineralwasser in der Hand stehen und sah seine Mutter überrascht an. „Wie kommst du darauf?“
    „Weil Melanie panische Angst vor ihm hat.“
    „Und Tony?“
    Sie setzten sich an den Tisch.
    „Keine Ahnung. Ich konnte nicht so darauf achten.“
    „Hm.“ Ralf kaute nachdenklich. Er hätte gerne
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