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Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Autoren: Jonathan Stroud
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und streckte die Hand aus. »Ist das alles?«
    »Hier wäre noch das Protokoll der letzten Kabinettssitzung.«
    »Das lese ich später. Erst die Plakate.« Er überflog das oberste Blatt. »›Diene deinem Land und du kommst in der Welt herum‹, was soll das denn heißen? Klingt eher nach Reiseprospekt als nach Rekrutierung. Viel zu schwammig. Aber reden Sie ruhig weiter, Piper, ich höre Ihnen zu.«
    »Die neuesten Berichte von der amerikanischen Front sind eingetroffen, Sir. Ich habe sie vorsortiert. Die Belagerung von Boston gibt bestimmt einen guten Artikel ab.«
    »Wir müssen natürlich den Schwerpunkt auf den mutigen Vorstoß legen, nicht auf die peinliche Niederlage.« Der Zauberer balancierte die Schriftstücke auf dem Knie und bestrich einen Toast mit Stachelbeerkonfitüre. »Na schön, ich versuche nachher, ein paar Zeilen dazu aufzusetzen. Aber das hier, das kommt sehr gut: ›Verteidige das Vaterland und du kommst groß raus.‹ Ausgezeichnet. Der Bauernbursch hier sieht schön männlich aus, aber wie wär’s, wenn wir im Hintergrund noch seine Familie aufbauen, sagen wir mal, die Eltern und die kleine Schwester, die schutzbedürftig und bewundernd zu ihm aufblicken? Damit spielen wir die Heimatkarte voll aus.«
    Miss Piper nickte eifrig. »Und seine Frau mit dazu, Sir.«
    »Lieber nicht. Wir wollen die Junggesellen ansprechen. Die Ehefrauen machen immer den meisten Ärger, wenn die Männer nicht mehr heimkommen.« Er biss knirschend in den Toast. »Sonst noch was?«
    »Eine Nachricht von Mr Makepeace, Sir. Kam per Kobold. Er lässt fragen, ob Sie heute Vormittag bei ihm vorbeischauen können.«
    »Geht nicht. Zu viel zu tun. Ein andermal.«
    »Der Kobold hatte noch diesen Handzettel dabei.« Miss Piper hielt ein fliederfarbenes Blatt hoch und verzog das Gesicht. »Am Wochenende wird sein neuestes Stück uraufgeführt. ›Von Wapping nach Westminster‹ heißt es. Es geht um den ruhmreichen Aufstieg unseres Premierministers. Wird bestimmt ein unvergesslicher Abend.«
    Mandrake ächzte bloß. »Schön wär’s. Werfen Sie’s in den Papierkorb. Wir haben Besseres zu tun, als über Theaterstücke zu plaudern. Noch was?«
    »Mr Devereaux hat auch ein Schreiben herumgeschickt, Sir. Wegen der ›unruhigen Zeiten‹ hat er die kostbarsten Schätze der Regierung im Gewölbe von Whitehall unter Sonderbewachung gestellt. Dort sollen sie so lange bleiben, bis Mr Devereaux etwas anderes anordnet.«
    Mandrake blickte stirnrunzelnd auf. »Schätze? Welche denn?«
    »Das steht hier nicht. Ich nehme an, es handelt sich…«
    »Wahrscheinlich der Stab und das Amulett und die anderen hochmagischen Artefakte.« Mandrake pfiff durch die Zähne. »Ich halte das für unsinnig, Piper. Ich fände es sinnvoller, die Sachen einzusetzen.«
    »Ganz recht, Sir. Hier ist noch etwas von Mr Devereaux.« Sie holte ein längliches Paket aus ihrer Aktentasche.
    Der Zauberer musterte es missbilligend. »Hoffentlich nicht wieder eine Toga.«
    »Eine Maske, Sir. Für das Fest heute Abend.«
    Mit einem unwilligen Ausruf zeigte der Zauberer auf den Brief im Postständer. »Die Einladung ist schon gekommen. Es ist nicht zu fassen! Der Krieg läuft schief, das ganze Reich steht auf der Kippe und unser Premierminister hat nur Theaterstücke und Kostümfeste im Kopf. Na, meinetwegen. Legen Sie die Maske zu dem ganzen Schrift-kram, ich nehme sie nachher mit. Die Plakatentwürfe sehen ja ganz anständig aus.« Er gab ihr die Unterlagen zurück. »Könnten ein bisschen schmissiger sein.« Er überlegte kurz und nickte. »Haben Sie etwas zu schreiben? Wie wär’s mit ›Kämpfe auch du für Freiheit und Britentum‹? Totaler Stuss, klingt aber griffig.«
    Miss Piper ließ den Vorschlag auf sich wirken. »Ich finde es durchaus tiefsinnig, Sir.«
    »Ausgezeichnet. Dann schlucken es die Gewöhnlichen bestimmt auch.« Der Zauberer stand auf, tupfte sich mit der Serviette den Mund und warf sie aufs Tablett. »Wollen doch mal sehen, wie die Dämonen vorankommen. Bitte sehr, Piper – nach Ihnen.«
    Was großäugige Bewunderung für ihren Vorgesetzten betraf, war Miss Piper keineswegs die Einzige unter den weiblichen Vertretern der herrschenden Klasse. John Mandrake war ein attraktiver junger Mann und eine Aura von Macht umgab ihn so lieblich und betäubend wie der Duft von Geißblatt an einem lauen Abend. Er war mittelgroß, schlank und für rasches, entschlossenes Handeln bekannt. In seinem schmalen, blassen Gesicht spiegelte sich ein faszinierender
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