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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Autoren: Jonathan Stroud
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er sich aus einem großen Silbergefäß ziemlich gehaltvolle Obst-bowle in ein Glas schöpfte, fiel ihm eine junge Frau auf, die ganz in der Nähe stand. Nachdem er sie eine Weile argwöhnisch beobachtet hatte, entschloss er sich zu einer, wie er fand, sehr diplomatischen Bemerkung: »Wie ich hörte, konnten Sie kürzlich einen Erfolg für sich verbuchen, Miss Farrar. Meinen herzlichen Glückwunsch.«
    »Es war nur ein ganz kleines Nest tschechischer Spione«, winkte Jane Farrar ab. »Wir vermuten, dass sie mit einem Fischkutter aus den Niederlanden herübergekommen sind. Stümperhafte Amateure, leicht zu enttarnen. Ein paar Gewöhnliche, die für uns arbeiten, haben Alarm geschlagen.«
    Nathanael lächelte. »Sie sind viel zu bescheiden. Ich habe gehört, die Spione hätten die Polizei durch halb England an der Nase herumgeführt und unterwegs mehrere Zauberer getötet.«
    »Es gab den einen oder anderen bedauerlichen Zwischenfall.«
    »Trotzdem ein beachtlicher Erfolg.« Nathanael trank ein Schlückchen Bowle und freute sich über die Zweideutigkeit seines Kompliments. Miss Farrars Meister war der Polizeichef Henry Duvall, ein erbitterter Konkurrent von Jessica Whitwell. Bei Anlässen wie diesem schlichen Nathanael und Jane Farrar wie zwei Katzen umeinander herum, wechselten schnurrend Komplimente und versuchten, einander mit Samtpfoten und eingezogenen Krallen aus der Reserve zu locken.
    »Und wie geht es Ihnen so, Mandrake?«, erkundigte sich Jane Farrar zuvorkommend. »Stimmt es, dass man Ihnen die Verantwortung für die Enttarnung dieser lästigen Widerstandsbewegung übertragen hat? Das ist ebenfalls keine leichte Aufgabe!«
    »Ich trage lediglich Hinweise zusammen. Schließlich müssen wir unser Informantennetz auf Trab halten. So aufregend ist das nun auch wieder nicht.«
    Jane Farrar nahm die Silberkelle und rührte die Bowle bedächtig um. »Mag sein, aber wenn jemand noch so wenig Erfahrung hat wie Sie… Meine Hochachtung! Noch ein Schlückchen Bowle?«
    »Nein danke.« Verärgert spürte Nathanael, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Natürlich hatte sie Recht: Er war nun mal jung und hatte in der Tat wenig Erfahrung. Alle Welt belauerte ihn, ob er seiner Aufgabe womöglich doch nicht gewachsen war. Er musste sich sehr zusammennehmen, um Miss Farrar nicht böse anzufunkeln. »Ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Widerstand im Lauf des nächsten halben Jahres zerschlagen«, sagte er mit belegter Stimme.
    Jane Farrar goss sich Bowle ein und zog mokant die Augenbrauen hoch. »Oho! Seit drei Jahren werden diese Leute jetzt schon ohne nennenswerten Erfolg gejagt. Und Sie wollen sie in einem halben Jahr dingfest gemacht haben! Aber wissen Sie was? Ich traue Ihnen das durchaus zu, John. Sie sind inzwischen schon ein richtiger kleiner Mann.«
    Schon wieder lief er rot an! Nathanael musste sich zusammenreißen. Jane Farrar war drei, vier Jahre älter als er, genauso groß, vielleicht sogar noch etwas größer, und hatte schulterlanges, glattes hellbraunes Haar. Ihre Augen waren von verwirrendem Grün und sprühten vor Ironie und Intelligenz. Neben ihr kam er sich trotz seines prächtigen roten Einstecktuchs unweigerlich wie ein unbeholfener Trottel vor. Er versuchte, seine Behauptung zu begründen, obwohl er spürte, dass er besser schweigen sollte.
    »Wir wissen, dass die Bewegung vorwiegend aus Jugendlichen besteht«, sagte er. »Das ist wiederholt von den Opfern bestätigt worden, und die wenigen Personen, die wir bislang beseitigen konnten, waren nicht älter als wir beide.« Er betonte diskret das Wir. »Die Lösung liegt auf der Hand. Wir entsenden Spitzel, die sich der Organisation anschließen. Sobald sie das Vertrauen der Verräter erlangt und Zugang zu ihrem Anführer haben… müsste die Angelegenheit eigentlich im Handumdrehen erledigt sein.«
    Abermals lächelte sein Gegenüber amüsiert. »Sie glauben tatsächlich, dass es so einfach ist?«
    Nathanael zuckte die Achseln. »Vor ein paar Jahren hätte ich beinahe selbst die Bekanntschaft des Anführers gemacht. Die Aussichten sind gut.«
    »Nein so was!« Sie riss mit ungeheucheltem Interesse die Augen auf. »Erzählen Sie!«
    Aber Nathanael hatte sich wieder im Griff. Unangreifbar – unerkannt
    – unbesiegbar. Je weniger Informationshäppchen er preisgab, desto besser. Er ließ den Blick über den Garten schweifen.
    »Wie ich sehe, kümmert sich dort drüben niemand um Miss Whitwell«, sagte er. »Als ihr Gehilfe sollte ich mich
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