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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck
Autoren: Hakan Nesser
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dieser Art. Ich weiß noch genau, dass ich versuchte, nicht groß darüber nachzudenken und Spekulationen aufzustellen, aber je mehr Zeit verging, je weiter ich ins Buch eindrang, umso überzeugter wurde ich, dass genau hier, im Text selbst, die Hintergründe zu Tage treten würden. Die Antwort auf die Frage, warum Germund Reins Buch in einer Übersetzung herauskommen sollte, fand sich im Buch selbst und sonst nirgends.
    Trotz dieser wachsenden Einsicht verbot ich mir selbst, im Vorwege zu lesen. Standhaft und unerschütterlich meiner Methode treu, ging ich Zeile für Zeile vor, Absatz für Absatz, Seite für Seite. Die Verlockung war da, aber ich überwand sie ohne größere Anstrengungen.
    Es ist nicht einfach, Reins Text zu beschreiben. Das hervorstechendste Stilmittel war zweifellos der innere Monolog, der zwischen der Hauptperson R und dem Verfasser selbst hin und her zu wandern schien, manchmal auch hin zu der Frau, zu M. Die einzige andere Person in dem Buch, zumindest anfangs, war ein gewisser Herr G, und in dichten, mehr oder weniger traumartigen Sequenzen schilderte Rein eine Art Beziehung zwischen diesen drei Figuren. Wie ich bereits erwähnt habe, konnte ich schon frühzeitig eine Dreiecksgeschichte zwischen den beiden Männern und der Frau erkennen – es tauchte hier und da auf, in ganz unterschiedlicher Tonlage und Wortwahl, und die Beziehung zwischen R und G war nicht die beste, und dass R dem Erzähler-Ich äußerst nahe zu stehen schien, das konnte meiner Aufmerksamkeit kaum entgehen.
    Aber solange der Januar noch währte, war das eigentlich auch schon alles, was mir klar wurde. Es ist natürlich möglich, dass ich die wahren Verhältnisse bereits sehr viel früher hätte erahnen können, wenn ich nicht außerdem auch noch an Ewa zu denken gehabt hätte und meine Kräfte darauf hätte verwenden müssen, aber das ist trotzdem nur Spekulation. Vielleicht war das eine Engagement auch notwendig zur Entlastung des anderen. Wenn ich zurückdenke, dann überrascht mich, wie oft ich mich damals voll und ganz entweder dem einen oder dem anderen gewidmet haben muss. Entweder ich befand mich tief in Germund Reins Text, oder aber ich suchte mit Feuereifer nach meiner verschwundenen Ehefrau. Doch ich vermischte beides nie. Ich hielt meine Aufträge wie Öl und Wasser getrennt, und ich glaube auch, dass das genau die richtige Methode war.
    In den allerletzten Tagen des Januars war es mir gelungen, meiner eintönigen und nichts bringenden Konzertüberwachungen von Herzen leid zu werden, und ich beschloss, neue Wege einzuschlagen. Unter der Rubrik »Privatdetektive« fand ich im Telefonbuch nicht weniger als sechzehn verschiedene Namen und Adressen, und nach meiner Arbeit in der Bibliothek verabredete ich eines Abends, mich mit einem gewissen Edgar L. Maertens in seinem Büro in der Prohaskaplein zu treffen.
     
    »Können Sie mir Ihr Problem schildern?«, begann er, nachdem die Eingangsfloskeln überstanden waren und wir uns beide mit einem Bier und einer Zigarette gesetzt hatten. Er war älter, als ich gedacht hatte, an die Sechzig, mit kurzgeschorenem, grauem Haar und sanften blauen Augen, die ein gewisses Vertrauen erweckten.
    »Arbeiten Sie schon lange in dieser Branche?«, fragte ich.
    Er lachte kurz auf.
    »Seit dreißig Jahren.«
    »So lange?«
    »Das ist Weltrekord. Sie können sich mir beruhigt anvertrauen. Also?«
    Ich zog die Fotos aus der Innentasche und legte sie auf den Tisch. Er betrachtete sie kurz.
    »Eine Frau.«
    Das war keine Frage, nur eine müde Feststellung. Er zog an seiner Zigarette und schaute mich an. Ich zog es vor zu schweigen.
    »Lassen Sie mich erst fragen, ob Sie auch sicher sind, dass Sie das hier wirklich durchführen wollen.«
    Der Ton von Resignation in seiner Stimme war klar und eindeutig. Ich nickte.
    »Überwachung oder verschwunden?«
    »Verschwunden«, sagte ich.
    »Gut«, sagte er. »Ich ziehe die Suche nach Verschwundenen vor.«
    »Warum?«
    Er gab keine Antwort.
    »Wann ist sie verschwunden?«
    »Vor drei Jahren. Vor gut drei Jahren.«
    Er machte sich Notizen.
    »Name?«
    Ich gab ihn an und fügte hinzu, dass sie ihn sicher nicht mehr benutzte.
    »Haben Sie das überprüft?«
    »Ja. Es gibt niemanden mit diesem Namen in A.«
    »Und Sie haben Grund zu der Annahme, dass sie sich hier aufhält?«
    Ich nickte.
    »Dann seien Sie doch so gut und erzählen die ganze Sache in kurzen Zügen.«
    Das tat ich. Ließ natürlich einige entscheidende Punkte aus, aber bemühte mich
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