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Bannkrieger

Bannkrieger

Titel: Bannkrieger
Autoren: Bernd Frenz
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geflochtenen Weidenruten, war schon einige Jahre alt und an mehreren Stellen ausgebessert, aber das daran befestigte Moos und die eingesteckten Gräser, die so gut mit denen der Lichtung harmonierten, stammten vom Vortag.
    Rorn hatte wirklich alles perfekt vorbereitet. Sein Vater wäre sicher stolz auf ihn gewesen, hätte er davon gewusst, doch der junge Schmied war in aller Heimlichkeit zur Jagd gegangen. Allein die Vorstellung, dass Neele die Federn, die er für sie beschaffen wollte, ablehnen könnte, ließ sein Herz schneller schlagen, als es der Bär zustande gebracht hatte, der im vorherigen Herbst aufrecht auf zwei Beinen wankend auf ihn zugestapft war. Nein, niemand sollte etwas von seinem Vorhaben wissen, am allerwenigsten seine Eltern, das war besser so.
    Den kurzen Jagdbogen und einen Köcher voll selbst geschnitzter Pfeile in der Rechten, den Kriechkorb in der Linken schlich Rorn an der Baumgrenze entlang, bis er eine Stelle erreichte, an der die Grasähren hüfthoch auf der Lichtung wogten.
    Ja, das war genau die richtige Stelle. Von hier aus konnte er die Beeke unbemerkt erreichen.
    Trotz seiner Größe würde ihn der Korb vollkommen bedecken. Wenn er langsam genug vorwärtsschlich, entdeckte ihn nicht einmal ein Vogel am Himmel. Rorn war hoch gewachsen, und die Arbeit in der väterlichen Schmiede hatte seine Muskeln gestählt, doch er war bei Weitem nicht so stämmig wie viele andere seines Dorfes. Vorg, sein Vater, scherzte deshalb gern, dass sein Weib ihn mit einem vorüberziehenden Gaukler betrogen hätte, was ihm immer wieder schmerzhafte Knüffe und Hiebe von Bera eintrug, aber natürlich vollkommener Unsinn war. Rorn hatte das gleiche haselnussbraune Haar wie sein Vater und die gleichen grün schimmernden Augen, außerdem wusste jeder im Dorf, dass Vorg als junger Mann selbst schlank und sehnig gewesen war. Damals, in seiner Zeit der Wanderschaft, bevor er die Schmiede von seinem Vater übernommen hatte, so wie Rorn sie einmal von Vorg erhalten würde.
    Zumindest, wenn Neele die Federn annahm.
    Falls sie das Geschenk jedoch ablehnte und Rorn damit zum Gespött der Dörfler wurde, würde er sich ebenfalls des Nachts davonstehlen, so wie Vorg damals, um die Welt außerhalb des Schimmerwalds kennenzulernen. Aber eigentlich glaubte er nicht daran. Schließlich wusste er, dass Neele ihn liebte, sie hatte es ihm schon oft genug gestanden, wenn sie sich heimlich im Heuschober trafen …
    Entschlossen schwang er den Kriechkorb über die Schulter und wollte sich gerade auf die Knie niederlassen, als neben ihm eine Stimme ertönte.
    »Bist du nicht schon zu alt, um mit Steinen nach Tieren zu werfen?«
    Rorn fuhr erschrocken herum, entspannte sich jedoch gleich wieder, als er sah, dass es nur Hatra war, die wie aus dem Boden geschossen vor ihm stand. Es war dem jungen Schmied völlig unbegreiflich, wie es der dürren, geradezu zerbrechlich wirkenden Greisin gelungen war, sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Immerhin war er ein Sohn der Schimmerwälder, der Rehe und Hirsche am Huftritt voneinander unterscheiden konnte.
    Allerdings war bekannt, dass sich die alte Hexe, die allein im Moor lebte, gut darauf verstand, lautlos und nahezu unsichtbar durch die Wälder zu wandeln.
    Sie trug ein ehemals lindgrünes Leinenkleid, das perfekt mit den Farben des Waldes harmonierte, aber das allein konnte nicht der Grund dafür sein, dass sie sich so hervorragend anschleichen konnte. In Hatra schlummerte ein fremdes Erbe, auch wenn sie sich äußerlich kaum von normalen Waldbewohnern unterschied. Nur ihre senkrecht geschlitzten Pupillen, die an Schlangenaugen erinnerten, gaben einen leisen Hinweis darauf, dass ihre Ahnenreihe auf ein vergessenes Volk zurückging, das älter als die Menschheit war.
    »Beim heiligen Amboss!«, entfuhr es Rorn ungewollt. »Wie lange stehst du hier schon herum, Alte?«
    In dem von tiefen Furchen durchzogenen Gesicht der Kräuterhexe zuckte es kurz, als er ihr so respektlos begegnete, aber dann umspielte ein feines Lächeln ihre faltigen Lippen. »Lange genug, um zu sehen, dass ich es mit einem Liebeskranken auf Federnjagd zu tun habe«, antwortete sie listig. »Wie heißt denn die Kleine, die du so gern beeindrucken möchtest?«
    In Rorn stieg es so heiß auf, dass sein Kopf zu glühen begann. »Scher dich um deinen Kram«, knurrte er grob, »ich will ja auch nicht wissen, was du im Morgentau so sammelst.«
    Grinsend hielt ihm die Alte ihren geflochtenen Weidenkorb entgegen, um ihm zu
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