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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo
Autoren: John Burdett
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verschwand.
    Erst als sie zu zittern begann, merkte sie, daß sie unter Schock stand. Chanya zwang sich, vom Bett aufzustehen, wankte wie betrunken im Zimmer herum, bis sie Mitchs Pfeife fand, und rauchte zur Beruhigung etwas Opium. Bevor sie sich auf den Weg nach unten machte, hob sie die Rose vom Boden auf, die sie beim Betreten des Raums weggeworfen hatte, gab sie in ein Plastikgefäß mit Wasser und stellte dieses neben den abgeschnittenen Penis auf das Nachtkästchen. Dadurch schienen ihr die beiden Objekte in der Balance zu sein.
    Sie wußte keine andere Zuflucht als unsere Bar. Auf dem Weg nach draußen fiel ihr der Schlüssel zum Hotelsafe ins Auge, in dem Mitch vermutlich seinen Opiumvorrat lagerte. Der IBM ThinkPad kam ihr erst in den Sinn, als sie ihn am nächsten Tag dort sah.
    Sobald die Wirkung des Opiums nachließ, senkte sich eine große Wolke der Schuld auf sie herab; die Angst vor den karmischen Konsequenzen ihrer Verwicklung in das Verbrechen (der Mord hatte doch sicher mit ihrer Begierde nach Ishy zu tun?) erzeugte einen gewaltigen inneren Konflikt. Erst nach einer ganzen Weile gelang es ihr, sich wieder in den Griff zu bekommen.
    Nach außen gab sie sich nonchalant, doch in ihrem Innern sah es anders aus: Im Angesicht der Hölle fand sie die Kraft, alles zu riskieren, und ging mit ihrem Plan zu Vikorn. Die politischen Vorteile, die sich für ihn daraus ergeben würden, sowie die Aussicht, Zinna endlich eins auszuwischen, waren ausnahmsweise stärker als die Geldgier des alten Mannes. Ja, er würde auf jegliche Gewinnbeteiligung verzichten, wenn sie den CIA-Laptop so verwendete, wie sie es vorschlug. Und er würde höchstpersönlich den Diebstahl arrangieren, sobald die Koordinaten von General Zinnas nächster Lieferung bekannt wären. Seine einzige Bedingung: Er wollte den Projektnamen bestimmen.
    Die Angelegenheit entpuppte sich als erstaunlich simpel. Chanya verfolgte das E-Mail-Geplauder der CIA-Agenten, bis Zinnas Name sowie Umfang und Bestimmungsort der nächsten Lieferung auftauchten. Dann informierte sie Vikorn über den gegenwärtigen Lagerplatz der Drogen und überwachte den weiteren E-Mail-Verkehr, während Vikorn alles andere organisierte. Mit treuergebenen Beamten in Zivil klappte die Aktion wie am Schnürchen. Die Lieferung bestand aus einer großen Menge frisch verarbeitetem, hochreinem Heroin aus bestem birmesischem Opium von den Labors oben im nordwestlichen Niemandsland, wo die Karen seit mehr als fünfzig Jahren gegen Birma Krieg führen. Mit Hilfe seines Netzwerks gelang es Vikorn, die gesamte Lieferung innerhalb weniger Tage zu verkaufen und den Erlös in Chanyas Projekt zu investieren, das er nun voller Begeisterung übernahm. Natürlich konnte Zinna seine Wut nicht öffentlich kundtun. Nach der Realisierung von Chanyas Plan bestand kein Zweifel mehr daran, wer den Stoff gestohlen und was er damit gemacht hatte.
    »Schau«, sagt Chanya mit Blick auf den Bildschirm:
     
    Die neuesten Nachrichten über die Zinna-Lieferung:
    Angeblich haben die Bullen sie geklaut.
    Ach?
    Ja, alles deutet auf seinen Erzfeind Colonel Vikorn hin.
    Willst Du mich verarschen?
    Nein, es scheint eine ganze Menge Hinweise zu geben.
    Zum Beispiel?
    Zum Beispiel daß außerhalb von Surin gerade ein riesiges Areal für ein Krankenhaus umgebaggert wird.
    Das versteh ich nicht.
    Es soll den Namen »Colonel Vikorn Memorial Hospital« tragen.
    Jetzt ist alles klar.
     
    Ich sehe Chanya fragend an. »Ein Krankenhaus?«
    Sie holt einen großen Taschenrechner heraus und demonstriert mir, daß ihr negatives Karma aller Aussicht nach durch lebensrettende Operationen in dem Krankenhaus bereits nach einem Monat ausgeglichen sein wird.
    Mir fällt die Kinnlade herunter. »Dann warst also du in Plan C eingeweiht, nicht Manny?«
    »Wer?«
    »Lieutenant Manhatsirikit.« Sie sieht mich verständnislos an. »Hat Vikorn dir die hunderttausend Dollar Erfolgsprämie für die Ausschaltung Zinnas gegeben?« Die Frage ist nicht ganz uneigennützig; seit mehr als einer Woche verwenden wir keine Verhütungsmittel mehr.
    »Die habe ich einer wohltätigen Organisation geschenkt, die Prostituierten bei der Rehabilitation hilft. Ich möchte ein reines Karma und kein schmutziges Geld.«
    Ist sie auf dem buddhistischen Pfad weiter fortgeschritten als ich? Nun, immerhin erkenne ich die Absurdität der Situation.
    »Warum lachst du?« Sie versetzt mir einen kräftigen Schlag gegen den Oberarm. »Du hältst mich wohl für eine dumme Nutte,
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