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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo
Autoren: John Burdett
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U-Bahn. Ishys Kunst ist sprunghaft und facettenreich, besitzt aber trotz der Farben- und Formenvielfalt einen merkwürdigen inneren Zusammenhalt. Die Wände sind eine Projektion seiner eigenen Tätowierungen: eindringlich, faszinierend, rätselhaft, genial, vielleicht wahnsinnig.
    Als mein Blick auf den langen, im Boden versenkten Teakholztisch fällt, frage ich mich, ob ich die Nachricht falsch verstanden habe und versehentlich in einen Geschäftstermin geraten bin. Die anwesenden sieben Chinesen sind bis auf einen Mann um die Vierzig, der ein offenes Hemd unter dem Kaschmirsakko trägt, mit Anzug und Krawatte bekleidet. Vom anderen Ende des Raums wirken die Männer wie eine Zwergenversammlung in einem von einem wahnsinnigen Gott gestalteten Raum. Ein Lichtstrahl fällt auf Ishy, der in einem strahlend weißen offenen Leinenhemd am oberen Ende des Tisches sitzt, eine Flasche Sake vor sich, die in ein goldfarbenes Tuch gehüllte Chanya in fast völliger Dunkelheit neben sich. Als ich mich ihnen nähere, murmelt sie: »Sie haben mir eine Betäubungsspritze gegeben. Ich spüre meinen Busen nicht mehr.« Dabei massiert sie ihre Brüste mit beiden Händen. Ohne ein Wort marschiere ich mit der Plastiktüte zu Ishy und lasse sie vor ihm fallen. Alle starren die Tüte an, doch keiner packt sie. Wo bin ich hier gelandet? Erst nach einer ganzen Weile räuspert sich der offenbar schon ziemlich alkoholisierte Ishy.
    »Leider ist die Sache nicht mehr so einfach«, sagt er völlig ohne Stottern.
    »Ein bedauernswertes Mißverständnis«, murmelt der Chinese mit dem offenen Hemd lächelnd. »Allerdings muß es auf die eine oder andere Weise geklärt werden.«
    Ishy sucht meinen Blick. »Offenbar ist die Million nur für Chanyas Tätowierung. Sie wollten sie herausschneiden und trocknen. Eine Million für den kleinen Delphin! Mit ein bißchen mehr Zeit hätte ich reich werden können.«
    »Und wo liegt das Problem?«
    »Sie dachten, sie könnten die anderen Tattoos auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Meine Arbeiten sind mittlerweile ziemlich gefragt, besonders bei der japanischen yakuza, für die sind sie so etwas wie ein Statussymbol – ähnlich wie Werke van Goghs für japanische Geschäftsleute, die sie nur aus dem Safe holen, um damit anzugeben. Ziemlich deprimierend für den Künstler. Aber immerhin hat van Gogh keine finanziellen Probleme mehr.«
    »Wo sind die anderen Tattoos?«
    »Oben. Die neuesten sind noch am Trocknen, das funktioniert ähnlich wie bei Schweinsleder.«
    »Wie lange läuft dieser … Handel schon?«
    »Eine ganze Weile. Man könnte sagen, Mitch Turner war der erste. Ich hatte nicht vor, irgend jemanden außer ihm umzubringen.« Er deutet in Richtung Chanya. »Selber konnte ich sie nicht haben, aber ein anderer sollte sie auch nicht kriegen. Du wärst der nächste gewesen. Wenn schon töten, dann mit Profit. Deine cremig-weiße Haut macht mich seit der Nacht in der Bar an, besonders die am Rücken.«
    Das hatte ich gemerkt. Mit widerhallender Stimme frage ich: »Und warum können sie die anderen getrockneten und ungetrockneten Tattoos nicht einfach mitnehmen?«
    Ishy schüttelt den Kopf ob meiner Begriffsstutzigkeit.
    »Weil ich die bereits den Japanern verpfändet habe, Kredithaien der yakuza. Sie wollen ein Team mit einem Anwalt schicken, das müßte eigentlich jeden Augenblick dasein.«
    Meinen verblüfften Blick kontert er mit folgenden Worten: »Na, mit einem Krieg hast du wohl nicht gerechnet, was? Ich hab die Japaner im Einvernehmen mit Mr. Chu gerufen.«
    »Stimmt«, bestätigt der Chinese mit dem offenen Hemd.
    »Wir sind alle Teil der globalen Wirtschaft, und es wäre schade, wenn es dieser winzigen Unstimmigkeit wegen böses Blut zwischen uns und unseren japanischen Kollegen geben würde, mit denen wir so rege Geschäftsbeziehungen pflegen. Wir können die Werke jetzt, da wir wissen, daß möglicherweise ältere Ansprüche bestehen, keinesfalls an uns nehmen. Mr. Ishy als Künstler interessieren solche juristischen Fragen vermutlich nicht sonderlich. Er hat alle seine Besitztümer mindestens zweimal verpfändet.« Der Chinese lächelt gequält. »Und genau das ist das Problem.«
    Ishy fragt mit einer hilflosen Geste: »Sollen wir sie uns ansehen?«
    Er führt uns die Stufen hinauf zu einem schmalen Flur mit zwei Türen, die erste zu einem Schlafzimmer, dessen Wände mit ausgesprochen intimen pornographischen Tattoo-Entwürfen bedeckt sind. Ishy deutet auf ein Stück fahler Haut, das auf einem
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