Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo
Autoren: John Burdett
Vom Netzwerk:
Stadtgebiet nehmen in ihrem Wagen festsitzende Leute per Handy live an Pisits Radio-Show teil. Thema dieses Abends ist das skandalöse Verhalten dreier junger Polizisten, die drei jungen Frauen den Sachverhalt der Prostitution nachwiesen, indem sie für Geld mit ihnen schliefen. »Wer braucht bei solchen Cops noch Kriminelle? Rufen Sie an unter soon nung nung soon soon nung nung soon soon. «Anrufer melden sich, die meisten in ziemlich alberner Stimmung. Der achtzehnjährige Lek jedoch, der die Polizeischule erst vor drei Monaten abgeschlossen hat, rümpft die Nase.
    »Haben Sie schon mit Ihrer Mutter gesprochen?« Er macht sich klein, so daß er mit seinen haselnußbraunen Augen in dem zart geschnittenen, blumengleichen Gesicht höchst anmutig zu mir aufschaut. Unsere feudale Gesellschaft spiegelt sich in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich bin nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch sein Herr und Meister, und sein Schicksal liegt in meinen Händen. Er braucht meine Liebe.
    »Gib mir Zeit«, sage ich. »Frauen muß man in der richtigen Stimmung erwischen. Besonders Nong.«
    »Werden Sie mit Colonel Vikorn sprechen?«
    »Keine Ahnung. Das werde ich ad hoc entscheiden.« Ich sage dem Taxifahrer, daß er uns Ecke Soi 4/Sukhumvit Road herauslassen soll.
    Vor kaum fünf oder zehn Jahren verkaufte in jeder soi der Sukhumvit Road noch mindestens ein Stand geröstete Heuschrecken, doch aufgrund der unerbittlichen Bombardierung unserer Kultur durch die eure, farang, wurde uns diese kleine Schwäche immer peinlicher, so daß – zumindest in Krung Thep – die Insektenzubereitung in den Untergrund abtauchen mußte. Zur gleichen Zeit jedoch entdeckten Avantgarde- farangs diesen exotischen Aspekt unserer Küche, und heutzutage ist der einzige Ort, an dem man gebratene Heuschrecken bekommt, die farang- dominierte Nana Plaza.
    Wir treffen dort ein, als in den Go-go-Bars gerade das Hauptgeschäft beginnt. »Na, Hübscher, soll ich dich begleiten?« ruft mir ein Mädchen mit schwarzem Top aus einer Bierkneipe zu, aber Lek ist eindeutig die größere Attraktion von uns beiden. Weder die Mädchen noch die katoys (die Transsexuellen, zu deiner Information, farang) können den Blick von ihm lösen, als wir uns einen Weg zwischen mächtigen weißen Körpern in verschwitzten T-Shirts und Shorts bahnen. Die farangs sind eher trunken von den sexuellen Angeboten, die sich ihnen hier eröffnen, als vom Alkohol, obwohl sie alle eiskaltes Bier aus der Flasche trinken. Heute abend läuft auf den ungefähr fünfhundert Fernsehmonitoren der Gegend ein Tennismatch der French Open zwischen unserem bewunderten Paradorn und irgendeinem Nobody, allerdings ohne Kommentar, denn aus den etwa zehntausend Lautsprechern dröhnt wie üblich eine Kombination aus Thai-Pop und Robbie Williams.
    Nach einer Weile erreichen wir das Ende der von katoys beherrschten Plaza, die bei Leks Anblick einen wäßrigen Mund bekommen. Gegen das eherne Gesetz der Authentizität verstoßend, hat ein Standinhaber an der Rückseite der Plaza seine Produkte in Englisch ausgezeichnet: Wasserflöhe, Seidenraupen, Grillen, Ameisen, getrocknete Frösche, Skorpione, Heuschrecken. Ich kaufe Heuschrecken für mich und Wasserflöhe, Seidenraupen, Ameisenmischung und getrocknete Frösche für meine Mutter. Während der Budenbesitzer alles in einen Papiertrichter füllt, verfolgen Lek und ich ein Ritual, älter als der Buddhismus. Junge Frauen in kurzen Rüschenkleidchen – ihre Bar hat sich auf Schulmädchenphantasien spezialisiert – stehen mit gespreizten Beinen hintereinander, während das Girl am vorderen Ende der Reihe mit einem großen Holzphallus kunstvoll Linien auf den Boden zeichnet. Sobald der Gott des Glücks solchermaßen beschworen ist, läßt die junge Frau den Phallus zwischen den Füßen der Mädchen hindurch über den Boden schlittern und klopft laut und vernehmlich an die Tür des Clubs. Dann richtet sie sich mit zufriedenem Gesichtsausdruck auf (wenn das die Kunden nicht anlockt, weiß ich auch kein Rezept) und betritt den anderen voran die Bar und das einundzwanzigste Jahrhundert.
    In unserem Club sorge ich dafür, daß Lek meiner Mutter, die die Tür für Besucher noch nicht geöffnet hat, weil sie zuerst etwas essen möchte, die Tüte mit dem Imbiß reicht. Wir setzen uns alle zu einem gemeinsamen – wie ich vermute – Frühstück, und zwanzig Minuten lang herrscht bis auf das Knacken und schmatzende Aussaugen von Heuschreckenbeinen Stille. Als ich fertig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher