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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich
Autoren: Léo Malet
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an
die Führer der Nationalen Befreiungsfront weitergibt. Der Algerienkrieg weist
nämlich merkwürdige Parallelen zum Indochinakrieg auf.“
    „Und deswegen lassen wir ihn im
Moment in Ruhe“, übersetzte Faroux.
    „Das hatte ich wohl
verstanden“, sagte ich lächelnd. „Großartig. Aus Ihnen kann noch was werden.
So..
    Der Kommissar klappte die Akte
zu.
    „Ich glaube, jetzt ist alles
klar, hm? Oder wollen Sie noch mehr wissen?“
    „Gibt’s noch mehr zu wissen?“
    „Nein.“
    „Na dann... vielen Dank. Sie
waren sehr freundlich, beide. Ich kam hierher, um mich von der
Selbstmordversion überzeugen zu lassen. Jetzt bin ich’s. Mehr wollte ich nicht.
So weiß ich doch wenigstens, wie ich meiner Klientin gegenüber auftreten muß.“
    Faroux seufzte.
    „Ist doch völlig egal! Diese
Jacqueline... Dingsbums... Hab nicht gedacht, daß es so Mädchen gibt, so in
Liebe entbrannt.“
    „Gibt’s auch gar nicht.“
    „Meinen Sie, sie spielt Ihnen
war vor?“
    „Nein. Jacqueline Carrier ist
die Ausnahme, die die Regel bestätigt.“
    „Werden Sie nicht tiefsinnig.“
    Ich zeigte auf den Platz vor
Sainte-Chapelle. Nach und nach wurde er von einem weißen Teppich bedeckt.
    „Das macht der Schnee“, sagte
ich.
    Das Telefon klingelte. Faroux
nahm den Hörer.
    „Hallo! ... Ach, guten Abend,
Monsieur... Ja, Monsieur... sofort, Monsieur...“
    Er legte wieder auf.
    „Ich muß zum Chef.“
    Er stand auf und gab mir die
Hand.
    „Wiedersehen, Burma. Meine besten
Genesungswünsche an Hélène.“
    „Danke. Werd’s weitergeben.“
    „Kommt selten vor, daß wir uns
so verabschieden, hm? Ohne Hintergedanken?“
    „Ich jedenfalls hab keine.“
    „Ich auch nicht.“
    „Und der Inspektor?“ fragte ich
ironisch.
    „Was sollte ich für Hintergedanken
haben?“ gab Masoultre zurück, düster, jetzt wieder ganz Bauer. Wirklich, ab und
zu blätterte der Lack ab, den er sich auf der Polizeischule aufgetragen hatte.
    „In Ordnung“, sagte ich.
    „Verdammt nochmal!“ schimpfte
Faroux. „Könnten Sie mir nicht mal andere Besuche machen als professionelle?“
    „Professionelle haben keinen
Zutritt.“
    „Könnten Sie mich nicht mal
einfach nur so zum Vergnügen besuchen?“
    „Kennen Sie einen, der zum
reinen Vergnügen hierherkommt?“
    „Nein“, seufzte Faroux. „Nicht
mal wir... Außer Masoultre vielleicht“, lachte er, „aber das geht auch noch
vorbei.“
    Wir gaben Pfötchen, und ich
verließ den gastlichen Ort.

Bei Colin des
Cayeux... und anderswo
     
    Draußen ließ ein scharfer Wind
die Schneeflocken tanzen. Der Flic, der vor der Nr. 3 6 vorschriftsmäßig
frische Luft schnappte, schüttelte seinen Umhang, um ihn von dem glitzernden
Film zu befreien. Über der Brüstung des Quais erhoben sich die dunklen Stämme
der Kastanien. In den Gabelungen der kahlen Aste bildeten sich flockige Flächen. Am anderen Seineufer sah ich das warme Licht
der Rôtisserie Périgourdine.
    Ich ging zu meinem Wagen, den
ich etwas weiter weg geparkt hatte, an der Place Dauphine. Plötzlich überlegte
ich es mir anders. Ein Spaziergang würde mir guttun. Über den Pont Saint-Michel
gelangte ich auf den gleichnamigen Platz.
    Gleich acht Uhr. Das Kino neben
der Taverne du Palais — ich kenne es seit einer Ewigkeit — rief mit seiner
schrillen Klingel die Besucher herbei. Über dem leeren Brunnenbecken reckte
sich der Chef der himmlischen Polizei — im Auftrag Gottes zuständig für
Vertrauen und Donnerwetter aller Art. Hinter einem weißen Perlenvorhang
besiegte er wie immer den gefährlichen Drachen. Auf dem Schutzgitter unten an
den Bäumen konnte sich ungestört der Schnee sammeln. Drei Schwarze standen vor
dem Zeitungskiosk und kämpften mit den Temperaturen. Sie schienen das Wetter
persönlich zu nehmen, so als wurzelte darin der Rassenkonflikt.
    Seit ein paar Jahren wimmelte
es hier von den Söhnen Hams. Während ich den Boul’ Mich’ hinaufging, kamen mir
einige entgegen. Vielleicht war aber auch der Schnee für meine schwarzen
Gedanken verantwortlich.
    Ich ging in ein Bistro, um mir
einen Martini zu genehmigen. Das Lokal war brechend voll. Alles
junge Studenten. Vielleicht standen in der lärmenden Menge auch
ehemalige Freunde von Paul Leverrier. Was ich so von dem kleinen Blödmann
wußte... Und ich wußte ‘ne Menge von ihm. Was für ein Hornochse! Anstatt sich
einfach umzubringen, hätte er sich doch besser umbringen lassen können... Daran
hatte er nicht im Traum gedacht! Hatte sich sozusagen selbst erledigt.
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