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Ballade der Leidenschaft

Ballade der Leidenschaft

Titel: Ballade der Leidenschaft
Autoren: Carol Townend
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viel besser aus, als es einem Mann zustand. Das war ungerecht. Doch sie musste Mikaela zustimmen – diese dunklen Augen, die einen so sanften Ausdruck annahmen, wenn er jemanden anschaute, wirkten fast unwiderstehlich. Sein Gesicht war schmaler geworden – nicht mehr das Gesicht eines Jungen, sondern das eines Mannes im besten Alter. Er schien sich länger nicht rasiert zu haben, und das verlieh ihm eine etwas anrüchige, gefährliche Aura. Allerdings fand Rozenn das nicht reizlos, weil er eben Ben war. Seine äußere Erscheinung kam seinem Beruf ebenso zugute wie sein kunstvolles Lautenspiel.
    Seufzend schüttelte sie den Kopf und inspizierte seine Kleidung, deren Qualität sie fachkundig einschätzte. Unter dem schlichten Umhang – nach seinem Standard viel zu schäbig und für die heiße Sommernacht zu warm – war ein glanzvolles Gewand zum Vorschein gekommen. Ja, das passte zu dem Ben, den sie kannte – die Ausstattung eines Prinzen, eines Mannes, der sein Brot verdiente, indem er Aristokraten unterhielt. Und Aristokratinnen, fügte eine bissige innere Stimme hinzu. Im Kerzenlicht schimmerte eine eisvogelblaue seidene Tunika, ein Gürtel mit funkelnder Silberschnalle betonte die schmale Taille und die breiten Schultern. Dazu trug er ein eng anliegendes Beinkleid aus feinem grauem Leinen, mit einer Verschnürung, die zum Blau der Tunika passte. Und die Stiefel …
    „Rose!“ Sichtlich verwundert sah er sich um. „Wo ist Per?“
    Sie holte tief Luft, schaute in seine Augen und wünschte, die Nacht wäre nicht so stickig. Dann könnte sie freier atmen. „Oh, Ben, so viel muss ich dir erzählen …“
    Und so saß er am Tisch und trank edlen Rotwein, verspeiste ein Stück Hühnerpastete und gab vor, was Rozenn ihm berichtete, seien Neuigkeiten für ihn.
    Schweigend hörte er zu, während sie schilderte, wie schnell die Krankheit ihren Gemahl dahingerafft hatte. Vergeblich hatte sie sich bemüht, ihn gesund zu pflegen. Ben beobachtete die Trauer, die ihre Augen überschattete, schob seinen leeren Teller beiseite und berührte ihre Hand, die sie ihm schnell entzog. „Du hast ihn sehr gemocht, nicht wahr?“
    Ihr Haar hatte sich aus dem Zopf gelöst und hing herab. Den Kopf gesenkt, schlang sie die dichten braunen Locken im Nacken zusammen. Ihre Stimme klang gepresst. „Natürlich mochte ich ihn, er war mein Ehemann.“
    „Rozenn …“ Behutsam hob er ihr Kinn und griff wieder nach ihrer Hand. „Hast du mir noch mehr zu sagen.“
    „Ja“, gestand sie bedrückt, „Per hatte Schulden.“
    Weil Ben ihre Gewissenhaftigkeit kannte, wusste er, wie beschämt sie sich fühlen musste. Also versuchte er, die Sache herunterzuspielen: „Haben wir die nicht alle?“
    „Über ein paar Münzen da und dort rede ich nicht. Es ging um beträchtliche Summen. Nach der Beerdigung klopfte die halbe Stadt an meine Tür und verlangte Geld.“ Schmerzlich lächelte sie, und er sah zum ersten Mal wieder die Grübchen in ihren Wangen. „Welch eine Ironie … Ich entschied mich für Per, weil ich Sicherheit wollte – nein, brauchte . Und er war bis über beide Ohren verschuldet. Glaub mir, wenn ich je wieder ein Kerbholz sehe, springe ich auf das nächstbeste Pferd und flüchte aus dem Herzogtum.“
    „Auch in der Normandie gibt es Kerbhölzer, chérie .“ Lächelnd strich er mit einem Daumen über ihren Handrücken. Da umklammerte sie seine Finger, als wollte sie ihn nie wieder loslassen.
    Unter dem dünnen Nachthemd hoben und senkten sich ihre Brüste und zogen immer wieder seinen Blick auf sich. Unsinn, Rose sieht einen Bruder in mir, dachte Ben und zwang sich, ihr Gesicht zu betrachten. Diese Grübchen, die Küsse herausforderten – und die einladenden vollen Lippen … Nein. Nein! Was ging ihm bloß durch den Sinn? Hastig ließ er ihre Hand los und umfasste seinen Weinbecher. Freimütig hatte Rose zugegeben, dass sie sich nach Sicherheit sehnte. Die konnte er ihr nicht bieten. Glücklicherweise schien sie nichts von seinen lustvollen Gedanken zu ahnen.
    Er zeigte auf den Geldbeutel an seinem Gürtel. „Ein paar Deniers habe ich bei mir, wenn dir das hilft, ma belle . Erzähl es Comtesse Muriel nicht – neulich war ich mit Herzog Hoël in Rennes. Dort zahlte er eine Menge Geld, um Turolds neues ‚Rolandslied‘ zu hören.“
    Als Rozenn nickte, verstand er, dass sie keine näheren Erklärungen brauchte. Vielleicht wusste sie nichts von seiner geheimen Tätigkeit für den Herzog, aber gewisse Tatsachen waren
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