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Bahnen ziehen (German Edition)

Bahnen ziehen (German Edition)

Titel: Bahnen ziehen (German Edition)
Autoren: Leanne Shapton
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Hauch von Leinen, Bambus und Citrus. Behaglich, aber etwas scharf.
    Edmonton, Alberta, 1987. Ich wache mitten in der Nacht auf, und die Farbe der Dunkelheit und das Gluckern eines Aquariums erinnern mich daran, dass ich nicht zu Hause bin. Ich blinzele, liege ganz still da, dann fällt es mir wieder ein: Jen, Stephanie und ich wurden bei einer Familie in Edmonton im Hobbykeller einquartiert. Ich liege seitlich auf einem ausklappbaren Sofa; meine zwei schlafenden Mannschaftskameradinnensind auch da, Jen neben mir auf dem Sofa, Stephanie auf einer Matratze auf dem Boden.
    Es ist warm in meinem Miss-Piggy-Schlafsack – wir schlafen alle in Schlafsäcken –, und es riecht wie im Innern eines Kombis. Meine Mutter hat aus zwei zusammengenähten gestreiften Laken einen Innenschlafsack für mich gemacht, und darin liege ich verheddert unter Miss Piggys riesigen Augen mit den langen Wimpern, ihr Mund halb geöffnet zu dem typischen fröhlichen Muppets-Ausdruck. Auf meiner neuen gelben Digitaluhr, die ich am Handgelenk trage, ist es 4.15 Uhr.
    Ich schließe die Augen und versuche, wieder einzuschlafen, aber ich denke an Hotelzimmer, an den angenehm sterilen Nicht-Geruch, das Summen von Eismaschinen. Ich denke ans Frühstück in ein paar Stunden oben in der Küche der Familie, daran, dass ich mich gut benehmen muss vor den fremden Schwimmern der Gastgebermannschaft und ihren nicht schwimmenden Geschwistern, nettes Geplauder und eine Auswahl an Frühstücksflocken. Bei fremden Leuten esse ich immer entweder zu viel oder zu wenig. Ich hoffe, dass die Gastmutter keine Eier macht.
    Als ich mich auf den Rücken drehe, erkenne ich im dämmrigen Licht an den getäfelten Wänden: ein Poster von Corey Hart, eins von einer Baseballmannschaft, eine gerahmte Landschaft. Ich schließe die Augen. Morgen fängt der Wettkampf an. Wir sind direkt vom Flughafen zum Schwimmbad in Edmonton gefahren, haben unser Gepäck in der Umkleide verstaut und sind in die Halle gegangen. Es war ein leichtes Training. Ich habe ein gelbes Brett benutzt, das einem Schwimmerder Dinos gehörte – des Schwimmteams der University of Calgary –, und hätte es am liebsten mitgenommen.
    Ich beschließe, den Wettkampf durchzugehen. Ich lege mich auf den Bauch, stecke den Kopf in den Schlafsack und fange an. Meine Stoppuhr piept und weckt Stephanie auf.
    »Was zum ...?«
    Vor jedem Rennen reibe ich mit den Händen über den Block, um sie aufzurauen und im Wasser empfindlicher zu machen. Ich spüre den Absprung, den reißenden Klang des Wassereintritts, die Stille, das Loten der Tiefe und den wiederkehrenden drängenden Lärm, wenn ich mit dem Kopf aus dem Wasser komme. Ich könnte die Stimme meines Trainers aus jeder Menge heraushören. (Die Bilder, die intensive Erwartung und Spannung, die ich im Bett heraufbeschwor, würden ein Jahrzehnt später von den Männern ersetzt werden, mit denen ich mir Sex vorstellte.)
    Als ich auf der vorletzten Bahn die Wand erreiche und wende, spulen sich in meinem Kopf abgedroschene Parolen ab: Zieh, zieh!, Gib alles!, Hau rein!, Endspurt! Plötzlich die gelbe Anschlagmatte. Ich drücke kräftig auf die Stoppuhr: Die blauen Zahlen zeigen 1:12:07.
    Das Gluckern des Aquariums.
    »Hör endlich mit dem scheiß Piepen und Keuchen auf. Es ist vier Uhr morgens.«
    Stephanie von der Matratze auf dem Boden.
    Ein paar kühle Minuten stehe ich da und sehe auf den Teich hinaus. Zwei Frauen kommen aus dem Wasser, eine steigt hinein. Ich suche meine Sachen zusammen. In der Hütte, die alsUmkleideraum dient, beobachte ich, was die anderen Frauen tun, mache es ihnen nach. Sie ziehen sich aus und duschen sich das Teichwasser von Badeanzügen und Körpern. Unter der lauwarmen Dusche lausche ich ihren Gesprächen. Eine Frau schwört auf ihren Neoprenanzug, eine andere schwimmt bis Dezember durch. Etwas von einer Schule, einer Frau, die sie alle kennen, von jemandes Handtasche. Beim Anziehen stehen wir mit dem Gesicht zur Wand, unsere Haut ist weiß und rot. Als ich durch den Park zurückgehe, winke ich den Wächtern; ich habe mir das Handtuch zweimal um Hals und Nase gewickelt, damit ich beim Durchqueren des Parks seinen Duft inhalieren kann, der sich jetzt mit dem grünlichen Geruch von Entengrütze mischt.

V IERZEHN GERÜCHE

    1. Clarkson Highschool Parkplatz, 4.52 Uhr: Feuchte Ziegel, ein Hauch von Gummi, Benzin und Zigaretten.
    2. Haar einer Mannschaftskameradin: Finesse-Spülung ca. 1987, deren Duft sich entfaltet, als sie ihr feuchtes Haar
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