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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman
Autoren: Kurt Geisler
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Muschelfang, die ihn gegen den Unbill der Welt überraschend in ihre Arme schloss und die Bettdecke über sie beide zog. »Die machen das schon da drüben. Dafür werden sie schließlich bezahlt. Wir können sowieso nichts dagegen tun.
    Auch wenn Stuhr sich unter der Decke mit Jenny zunächst wieder geborgen fühlte, so war natürlich nicht auszublenden, dass der Polizeieinsatz nebenan noch nicht beendet war. Irgendwann stieg jedoch der Hubschrauber wieder hoch, und in der einkehrenden Stille klopfte es leise an der angelehnten Tür.
    Die behutsame Stimme der jungen Polizistin meldete sich. »Der Spuk ist vorüber. Wir haben nebenan beide festgenommen. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Wir ziehen jetzt ab.«
    »Kann ich nicht mit Kommissar Hansen sprechen?«, wollte Stuhr wissen.
    Sie lachte. »Der ist schon lange mit dem Hubschrauber in der Luft. Er will schließlich auch einmal Helgoland sehen. Ich soll schön grüßen, er wird sich telefonisch bei Ihnen von unterwegs melden. Nichts für ungut.«

     
    Die Polizistin grüßte noch einmal kurz und bemühte sich, die Zimmertür möglichst dicht an die aufgesplitterte Zarge zu ziehen. Stuhr wartete ab, bis die restlichen Beamten verschwunden waren, bevor er sich hastig anzog und zur Rezeption hinuntereilte. Dort wirkten die Damen noch reichlich verstört, aber er bekam sofort eine neue Plastikkarte für ein anderes Zimmer ausgehändigt. Auf der Treppe bemerkte Stuhr, dass sein Telefon vibrierte. Dreesen war am Apparat. Das passte gut, dann musste er nicht in Jennys Gegenwart mit ihm reden.
    Sein alter Oberamtsrat zeigte wieder deutlich bessere Laune. »Na, Stuhr, verbrennst du dir gerade schön die Tapete?«
    Stuhr wehrte ab. »Nee, Dreesen, hier ist zurzeit nichts mit Sonnenbaden. Im Gegenteil, hier sind gerade eben die Bleikugeln geflogen. Ich habe auch genug Sonne gehabt, und ab morgen ist sowieso wieder Fußball angesagt. Köln gegen München. Wolltest du einen Tipp abgeben oder warum rufst du an?«
    Dreesen lachte zunächst kurz, weil er das vermutlich für einen Scherz hielt. Dann wurde er jedoch ungewohnt dienstlich. »Stuhr, ich wollte dich nur offiziell davon in Kenntnis setzen, dass alle laufenden Anträge von Reinicke von mir abschlägig beschieden worden sind. Ich habe das sozusagen im Vorgriff für die Kollegen mit erledigt.«
    Das konnte Stuhr kaum glauben. »Was, du hast alle Anträge ohne Nachfrage bei deinen Kollegen einfach so abgebürstet?«
    Dreesen antwortete beflissen. »Selbstverständlich. Stuhr, da herrscht sozusagen stilles Einverständnis unter uns Kollegen. Wenn große Projekte im Raum stehen und wenn dafür auch noch Landesmittel beantragt werden, dann fordern wir grundsätzlich die Antragsteller auf, ihre Vorhaben ausführlich zu beschreiben und alle möglichen und unmöglichen Anlagen beizufügen. Eine Prüfung ist aufwendig genug, und sie muss gewissenhaft durchgeführt werden. Das kann Arbeitskraft für Wochen binden.«
    Diese Aussage erstaunte Stuhr. »Bei dir?«
    Dreesen lachte. »Ja, auch bei mir, Stuhr. Allerdings kommen manchmal wegen des immensen Aufwandes erst gar keine Unterlagen bei uns an, dann haben sich die Projekte sozusagen von selbst erledigt.«
    »Und was ist, wenn sich Projekte nicht von selbst erledigen?«
    Dreesen zögerte kurz. »Dann ist es noch einfacher, dann kann ich sie erledigen. Wenn alle Unterlagen beigebracht sind, lehne ich einfach ab.«
    Stuhr konnte in der folgenden Pause den Dienstschimmel deutlich wiehern hören. »Aber ich denke, ihr seid gehalten, in konjunkturschwachen Zeiten großzügig zu verfahren, damit die Wirtschaft wieder angekurbelt wird?«

    Jetzt konnte sich Dreesen kaum noch einkriegen. »Als wenn meine Vorgesetzten Ahnung von den Staatsfinanzen hätten. Es hat sich doch durch die Finanzkrise überhaupt nichts geändert. Nicht ein Banker hat bisher in Deutschland vor Gericht gestanden, und die faulen Wertpapiere sind nach wie vor auf dem Tisch genau wie vor zwei Jahren. Die nächste große Blase wird gerade schon wieder aufgetan durch das politische Wettretten von maroden Firmen. Nein, ich tue das, was jede sparsame deutsche Hausfrau macht. Ich halte das Geld der Steuerzahler zusammen.«

    Stuhr musste innerlich über Dreesens Grundsatzrede lachen. Dennoch war er froh, dass sein ehemaliger Kollege offensichtlich seine dienstliche Schieflage wieder in die Horizontale gebracht hatte, wenngleich seine Methoden zweifelhaft waren. Aber wer klagt schon gegen den Staat? Wenn er sich jetzt
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