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Baby-Bingo

Baby-Bingo

Titel: Baby-Bingo
Autoren: Carla und Martin Moretti
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da ist es wieder. Das Gefühl, im Leben mal wieder etwas später dran zu sein als alle anderen. Warum bin ich eigentlich immer davon ausgegangen, noch so viel Zeit zum Kinderkriegen zu haben?
    »Ganz abgesehen davon, dass die Krankenkassen ab dem 40. Lebensjahr häufig große Schwierigkeiten bei der Kostenübernahme machen.«
    Frau Doktor Steinberger macht eine Pause.
    »Wissen Sie, Sie haben beide großes Glück. Ihre Spermienqualität ist hervorragend.« Sie blickt Martin an.
    »Und was Ihre Fruchtbarkeit angeht, Frau Moretti, führen Sie als 39-Jährige sogar die Liste meiner Patientinnen an. Trotzdem ist auch unser Wissen nur begrenzt. So wissen wir beispielsweise nicht, was mit Ihrer Eizelle auf dem Weg durch den Eileiter Richtung Gebärmutter passiert.«
    Wir sehen sie fragend an.
    »Ich hatte eine Patientin, die seit zehn Jahren versuchte, schwanger zu werden. Die Voraussetzungen waren gut. Beide waren gesund. Nach längerem Überlegen entschieden sie sich für eine IVF-Behandlung. Dabei stellte sich heraus, dass die Eihaut, also die Umhüllung der Eizelle der Frau, zu dick war, was ein Schlüpfen des Embryos unmöglich machte. Sie hätte also unter normalen Umständen nie schwanger werden können. Beim sogenannten ›Assisted Hatching‹ dünnten wir die Umhüllung aus, um das Schlüpfen zu erleichtern, und mittlerweile ist sie Mutter eines gesunden Jungen.«
    Frau Doktor Steinberger steht auf.
    »Wie auch immer. Lassen Sie sich Zeit mit Ihren Überlegungen. Aber nicht zu lange.«
    »Amore, jetzt lass uns keine Zeit mehr vertrödeln, sondern Nägel mit Köpfen machen. Ich finde, das hört sich alles sehr logisch an, was deine Ärztin da sagt.«
    Wir sind noch nicht mal richtig aus der Praxis draußen, da ist Martins Entscheidung schon gefallen. Wie war das noch mal mit dem »Dübeln, statt grübeln, Männer handeln ohne vorher lange nachzudenken?« Ich muss lachen.
    Aber eigentlich hat Martin recht. Wir sollten uns auf die nächste Ebene bewegen und keinen Tag mehr vergeuden. Und Frau Doktor Steinberger klang wirklich sehr überzeugend. Vor allen Dingen die Geschichte mit der Eihülle hat mich beeindruckt. Das Paar hätte jetzt kein Kind, wenn es sich nicht für eine IVF-Behandlung entschieden hätte. Auf natürlichem Weg hätte es nie geklappt. »Ich habe wirklich ein gutes Gefühl. Wollen wir nicht sofort einen Termin vereinbaren?«, fragt Martin.
    Er tut so, als würde er wieder zurück zur Praxis gehen.
    »Martin, warte!« Ich laufe ihm hinterher. »Wir wissen ja noch gar nicht, wo wir es machen lassen. Vielleicht ist ja ein Kinderwunschzentrum in Spanien viel besser. Ich habe da gerade einen Artikel im Internet gelesen …«
    Das ist wieder typisch für mich. Erst mal Zeit gewinnen, recherchieren und nochmals alles ausführlich mit Marie besprechen.
    »Na hör mal, du warst doch diejenige, die sich gewünscht hat, spätestens an ihrem 40. Geburtstag ein Baby zu haben. Wir haben nur noch vier Monate Zeit. Dann haben wir zwar noch kein Baby, aber du bist schwanger. Das gilt auch.«
    Und auf einmal spüre ich es wieder. Das Gefühl von Hoffnung.
    Die nächsten Abende verbringen Martin und ich im Internet. Wir klicken uns durch Kinderwunschseiten, IVF-Erfahrungsberichte und die Homepages der erfolgreichsten Kinderwunschkliniken der Welt. Spanien, Türkei, Tschechien, Österreich – jedes Kinderwunschzentrum wirbt mit einem eigenen »Rundum-Sorglos-Paket«, mit extra hohen Erfolgsraten oder besonderen Behandlungsverfahren. Dazu gibt es spezielle Sonderangebote wie »Frühlings Special« oder »Happy Family Sale«: 20 Prozent Rabatt auf alle Behandlungen. Ich meine, wie um alles in der Welt soll ich unserem Kind später erklären, dass es ein Sonderangebot war?
    Überhaupt ist es ein merkwürdiges Gefühl, hier mit Martin am Küchentisch zu sitzen und nach Kliniken für Reproduktionsmedizin zu suchen. Wie sich das schon anhört? Reproduktion . Nach Technik, nach Maschinen. Nicht nach Menschen.
    Wollen wir wirklich so weit gehen? Vielleicht sollten wir es doch weiter natürlich versuchen? Aber wie lange noch?
    Irgendwann müssen wir uns selbst eine Frist setzen. Langsam bekomme ich eine Wut auf diese dämliche biologische Uhr, die nichts als Stress macht. Und warum zahlen Krankenkassen eigentlich nur bis zum 40. Lebensjahr? Verliert man genau an seinem 40. Geburtstag die Gebärfähigkeit? Egal, ob man vorher täglich eine Schachtel Zigaretten geraucht oder sich gesund ernährt und auf seinen Körper geachtet
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