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Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17
Autoren: Samuel R. Delany
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Gläser weg. Als er mit der anderen Hand, die einen Lappen hielt, die Oberfläche abwischen wollte, hielt er stirnrunzelnd inne. »Miß Wong?« Ihr Gesicht starrte in den Spiegel zwischen den Flaschenregalen, blaß und gespannt, als sähe sie eine Erscheinung. Ihre Knöchel waren weiß.
    »Ist Ihnen nicht wohl, Miß Wong?«
    Ihr Gesicht drehte sich mit einem Ruck zu ihm. »Sie haben es bemerkt?« sagte sie mit heiser flüsternder Stimme. Sie stieß sich von der Theke ab und eilte zur Tür.
     

 
2.
     
    »Mocky, bist du da?«
    »Rydra?« Dr. Markus Tumwarba stemmte sich in der Dunkelheit aus seinem Kissen und sah ihr Gesicht im kleinen Kontrollfeld der Gegensprechanlage neben dem Bett. »Was ist los?«
    »Bitte mach auf, Mocky. Ich muß mit dir sprechen.«
    »Komm ’rauf«, sagte er und drückte auf den Türöffner. Er schaltete die Nachttischlampe ein und blinzelte in die Helligkeit, dann stieß er seufzend die Decke zurück, schwang seine Beine aus dem Bett und griff zu seinem schwarzen Bademantel. Barfuß und mit dem Gürtel beschäftigt, tappte er über den weichen Teppich, schaltete die indirekte Beleuchtung ein und programmierte die Küchenautomatik für Kaffee und Kakao. Als er damit fertig war, kam Rydra Wong zur Tür herein.
    »Was ist passiert?« fragte er, ohne ihre gestammelte Entschuldigung zu beachten. »Was bringt dich um diese Zeit hierher?«
    »Mocky, es … ich …«
    »Setz dich, Kind. Möchtest du Kaffee oder Kakao?«
    »Ohne Beruhigungsmittel?«
    »Selbstverständlich ohne. Beides ist gleich fertig. Und vom Abendessen sind noch Würstchen mit Bohnen übrig. Ich hatte Besuch.«
    Sie sank in einen der beiden aufblasbaren Sessel und schüttelte ihren Kopf. »Danke. Nur Kakao. Ich hatte einen furchtbaren Tag.«
    Er sah das kleine rote Licht der Küchenautomatik blinken und sagte: »Moment. Bin gleich wieder da.«
    Als er nach einer Minute mit einem kleinen Tablett zurückkehrte, sah er sie zurückgelehnt und mit geschlossenen Augen sitzen. Er stellte das Tablett auf den kleinen runden Frühstückstisch, schenkte Kakao ein und setzte sich ihr gegenüber. »Ich hatte auch keinen schönen Tag«, sagte er besänftigend. »Den ganzen Nachmittag keine Arbeit, Abendgäste, die Streitgespräche führen wollten, und dann, kaum daß sie gegangen waren, eine Flut von Anrufen. Hatte mich erst vor zehn Minuten schlafen gelegt.« Er lächelte sie an. »Wie war dein Abend?«
    »Mocky, es … es war schrecklich.«
    Dr. Tumwarba schlürfte seinen heißen Kakao. »Gut. Andernfalls würde ich dir nie verzeihen, daß du mich aus dem Bett geholt hast.«
    »Ich weiß, Mocky, ich kann immer auf dein Mitgefühl zählen.«
    »Vernünftige Ratschläge und psychiatrische Hilfe kannst du immer von mir haben, aber Mitgefühl? Tut mir leid, nicht nach dreiundzwanzig Uhr dreißig. Nun laß das Gestammel sein und rede mit mir. Das hattest du überwunden, als du fünfzehn warst.« Seine Stimme klang sehr freundlich und sehr bestimmt.
    Sie nahm ihre Tasse und nippte vom Kakao. »Der Code, du erinnerst dich an den Code, an dem ich arbeite?«
    Dr. Tumwarba fuhr mit den Fingern durch sein weißes, vom Schlaf noch wirres Haar. »Ich erinnere mich, daß du gebeten wurdest, an irgend etwas für die Regierung zu arbeiten. Du äußertest dich ziemlich geringschätzig darüber.«
    »Ja. Und … nun, es ist nicht der Code – der übrigens eine Sprache ist –, sondern nur dieser Abend. Ich sprach mit dem kommandierenden General, General Forester, und es passierte … ich meine, es passierte wieder, und ich merkte es sofort. Ich kann mich nicht geirrt haben.«
    »Was merktest du?«
    »Genau wie letztes Mal, ich wußte, was er dachte!«
    »Du hast seine Gedanken gelesen?«
    »Nein. Nein, es war wie letztes Mal! Ich sah, was er tat, hörte seine Worte und wußte, was er dachte …«
    »Das hast du mir schon mal zu erklären versucht, aber ich verstehe immer noch nicht, es sei denn, du sprichst von einer Art Telepathie.«
    Sie schüttelte ihren Kopf und sah ihn hilflos an.
    Dr. Tumwarba verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich zurück. Plötzlich sagte Rydra in verändertem Tonfall: »›Nun, ich kann mir schon vorstellen, was du sagen willst, liebes Kind, aber du wirst es selbst in Worte fassen müssen‹. Das war es, was du gerade sagen wolltest, nicht wahr, Mocky?«
    Tumwarba hob die Augenbrauen. »Ja. Das war es. Und du sagst, das sei kein Gedankenlesen? Du hast es mir schon ein halbes Dutzend Male vorgeführt.« Er
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