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Titel: B00BOAFYL0 EBOK
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Ort« können wir die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen jedoch relativieren). Die Verwirrung befällt Menschen verschiedenster Fachrichtungen: Literaturprofessoren schreiben einem rein zufälligen Auftreten von Wortmustern eine tiefere Bedeutung zu, während Volkswirtschaftler stolz auf »Regelmäßigkeiten« und »Anomalien« in rein willkürlichen Daten hinweisen.
    Auf die Gefahr hin, voreingenommen zu erscheinen, muss ich sagen, dass Literaturliebhaber vorsätzlich dazu neigen können, Nebengeräusche und Bedeutung miteinander zu verwechseln – also nicht zwischen einem zufällig entstandenen Arrangement und einer bewusst formulierten Botschaft zu unterscheiden. Das richtet jedoch wenig Schaden an. Kaum jemand wird behaupten, dass Kunst ein Werkzeug zur Erforschung der Wahrheit sei; vielmehr gilt sie als ein Versuch, der Realität zu entfliehen beziehungsweise sie erträglicher zu machen. Der Symbolismus ist die Folge unserer Unfähigkeit und der mangelnden Bereitschaft, den Zufall als solchen zu akzeptieren; wir schreiben allen erdenklichen Formen eine Bedeutung zu und sehen menschliche Gestalten in Tintenflecken. »Ich sah Moscheen in den Wolken«, verkündete Arthur Rimbaud, der französische symbolistische Dichter aus dem 19. Jahrhundert. Diese Interpretation führte ihn in ein »poetisches« Abessinien (in Ostafrika), wo er von einem Sklavenhändler (einem libanesischen Christen) brutal misshandelt wurde, sich mit Syphilis ansteckte und durch Wundbrand ein Bein verlor. Angewidert gab er die Dichtkunst im Alter von nur 19 Jahren auf und starb später in völliger Anonymität in einem Marseiller Krankenhaus, noch bevor er seinen 40. Geburtstag erreicht hatte. Aber es war zu spät. Europas Intellektuelle entwickelten eine anscheinend irreversible Vorliebe für den Symbolismus – wir zahlen heute noch den Preis dafür in Form von Psychoanalyse und anderen Modeerscheinungen.
    Leider nehmen einige Menschen dieses Spiel zu ernst, da sie ihren Lebensunterhalt damit verdienen, übermäßig viel in manche Dinge hineinzulesen. Mein ganzes Leben lang leide ich schon unter dem Konflikt zwischen meiner Liebe zur Literatur und Dichtkunst und meiner tief verwurzelten Abneigung gegen die meisten Literaturdozenten und »Kritiker«. Der französische Dichter und Denker Paul Valéry war höchst erstaunt, als er in einem Kommentar zu seinen Gedichten von Bedeutungen erfuhr, die ihm bis dato selbst nicht aufgefallen waren (natürlich wurde er darauf hingewiesen, dass diese Botschaften wohl von seinem Unterbewusstsein ausgesandt worden seien).
    Tabelle 1 Die Tabelle der Verwirrungen in der die wichtigsten, in diesem Buch verwendeten Unterscheidungen vorgestellt werden
Allgemein
Glück
Fähigkeiten
Zufall
Bestimmung
Wahrscheinlichkeit
Sicherheit
Glaube, Mutmaßung
Wissen, Gewissheit
Theorie
Realität
Anekdote, Koinzidenz
Kausalbeziehung, Gesetz
Prognose
Prophezeiung
Börsenanlagen
Glücklicher Narr
Geschickter Investor
Survivor Bias
Outperformance gegenüber dem Markt
Finanzwesen
Volatilität
Ertrag (oder Defizit)
Stochastische Variable
Deterministische Variable
Physik und Technik
Nebengeräusche
Signal
Literaturkritik
Nichts (Literaturkritiker scheinen
Symbol
keinen Namen für Dinge zu
kennen, die sie nicht verstehen)
Wissenschaftsphilosophie
Erkenntnistheoretische
Physische Wahrscheinlichkeit
Wahrscheinlichkeit
Induktion
Deduktion
Synthetische These
Analytische These
Allgemeine Philosophie
Bedingt
Gewiss
Bedingt
Nötig (im Sinne Kripkes)
Bedingt
Wahr in allen möglichen Welten
    Auf allgemeinerer Ebene unterschätzen wir in nahezu allen Fällen die Rolle des Zufalls – ein Aspekt, der nicht unbedingt ein Buch rechtfertigen würde, wäre nicht der Experte selbst der König aller Narren. Es sollte uns zu denken geben, dass die Wissenschaft erst seit kurzem mit Zufälligkeiten umgehen kann (die Zunahme der verfügbaren Informationen wurde nur von einem steigenden Lärmpegel übertroffen). Wahrscheinlichkeitslehre ist in der Mathematik noch eine junge Disziplin, und praktische Anwendung von Wahrscheinlichkeiten ist bislang ein noch fast unerschlossenes Terrain. Darüber hinaus haben wir anscheinend Beweise dafür, dass so genannte »Courage« aus einer Unterschätzung der Rolle des Zufalls in der Welt herrührt und nicht aus einer nobleren Fähigkeit, sich für eine bestimmte Überzeugung aus dem Fenster zu lehnen. Meiner Erfahrung (und der wissenschaftlichen Literatur) zufolge sind »risikofreudige« Wirtschaftssubjekte
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