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Azazel

Titel: Azazel
Autoren: Isaac Asimov
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jedenfalls.
    Ihr überraschter Gesichtsausdruck war verschwunden und einer ekstatischen Miene gewichen. Sie hatte das Notenblatt weggelegt, das sie in der Hand gehalten hatte; sie brauchte es nicht. Ihre Stimme sang von ganz allein, sie mußte sie nicht kontrollieren oder lenken. Der Dirigent stand starr da, alle anderen im Chor schienen wie vom Donner gerührt.
    Das Solo ging zu Ende, und der Chor fiel fast flüsternd ein, als schämten sich alle ihrer Stimmen und ließen sie nur widerwillig in derselben Kirche am selben Abend erklingen.
    Der Rest des Programms gehörte ihr allein. Wenn sie sang, hörte man nur sie, auch wenn alle anderen Stimmen erklangen. Wenn sie nicht sang, war es, als würden wir im Dunkeln sitzen und könnten nicht ertragen, daß das Licht erloschen war.
    Und als es vorbei war - na ja, man applaudiert in der Kirche nicht, aber da taten sie es. Alle in der Kirche standen auf, als wären sie von einem einzigen Marionettendraht hochgerissen worden, und hörten nicht mehr auf zu klatschen, und es war klar, daß sie die ganze Nacht klatschen würden, wenn sie nicht noch einmal sang.
    Sie sang noch einmal; nur sie allein, während die Orgel zögernd im Hintergrund flüsterte; der Scheinwerfer strahlte nur sie an, vom Chor war niemand zu sehen.
    Mühelos. Du hast keine Ahnung, wie mühelos es war. Ich versuchte, die Klänge nicht zu hören, um sie atmen zu sehen, um zu sehen, wie sie Luft holte, und fragte mich, wie lange ein Ton bei voller Lautstärke gehalten werden konnte, wenn nur zwei Lungenflügel die Luft gaben.
    Doch es mußte enden, und es ging zu Ende. Selbst der Applaus ging zu Ende. Erst da merkte ich, daß Mortenson mit funkelnden Augen neben mir gesessen hatte und mit Leib und Seele in ihrem Gesang aufging. Erst da begriff ich allmählich, was geschehen war.
    Ich bin alles in allem so geradlinig wie eine euklidische Gerade, Hinterlist ist mir fremd, daher kann man nicht erwarten, daß ich wußte, was er vorhatte. Du andererseits bist so verdreht, daß du eine Wendeltreppe hochlaufen kannst, ohne dich zu verbiegen, und siehst auf einen Blick, was er vorhatte.
    Sie hatte makellos gesungen - aber sie würde nie wieder makellos singen.
    Es war, als wäre sie von Geburt an blind gewesen und konnte nur drei Stunden lang sehen - alles sehen, was es zu sehen gibt, alle Farben und Formen und Wunder rings um uns herum, die wir gar nicht beachten, weil wir sie für selbstverständlich halten. Stell dir vor, du könntest das alles drei Stunden lang in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit sehen - und dann wieder blind sein!
    Du könntest deine Blindheit ertragen, wenn du nichts anderes kennst. Aber etwas anderes kurz kennenlernen und dann wieder blind sein? Das könnte niemand ertragen.
    Diese Frau hat natürlich nie wieder gesungen. Aber das ist nicht alles. Die wahre Tragödie erlebten wir, die Zuhörer des Publikums.
    Wir hatten drei Stunden makellose Musik gehört, makellose Musik. Glaubst du, wir könnten je ertragen, etwas zu hören, das geringer ist?
    Ich bin seither fast taub für Töne. Jüngst ging ich zu einem dieser Rock-Festivals, die heutzutage so populär sind, um mich selbst einem Test zu unterziehen. Du wirst mir nicht glauben, aber ich konnte keine einzige Melodie heraushören. Für mich war das alles Lärm.
    Mein einziger Trost ist, daß Mortenson, der am aufmerksamsten und konzentriertesten zugehört hatte, schlimmer dran ist als alle anderen dieses Publikums. Er trägt ständig Ohrstöpsel. Er erträgt keinen Ton mehr, der lauter als ein Flüstern ist.
    Geschieht ihm recht!

Das gebannte Lächeln
    Jüngst sagte ich bei einem Bier (seinem Bier, ich trank ein Ginger-Ale) zu meinem Freund George: »Wie geht es deinem Wichtel neuerdings?«
    George behauptet, daß er einen zwei Zentimeter großen dienstbaren Dämon besitzt. Ich bringe ihn nie dazu, daß er seine Lüge eingesteht. Wie auch sonst niemand.
    Er sah mich böse an. »Oh ja, du bist der einzige, der von ihm weiß«, sagte er. »Ich hoffe, du hast sonst keinem davon erzählt!«
    »Kein Wort«, sagte ich. »Es reicht, wenn ich dich für verrückt halte. Von mir muß man das nicht auch noch denken.« (Außerdem hatte er meines Wissens mindestens einem halben Dutzend Leuten von dem Dämon erzählt, daher ist es nicht nötig, daß ich indiskret bin.)
    »Nicht für den Gegenwert von einem Pfund Plutonium möchte ich unter deiner nervtötenden Unfähigkeit leiden, nichts zu glauben, das du nicht verstehst - und du verstehst eine
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