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Azazel

Titel: Azazel
Autoren: Isaac Asimov
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sagt.«
    »Natürlich nicht«, sagte er angewidert. »Wofür hältst du mich? Sie hat mir zwei mehr oder weniger glückliche Jahre geschenkt, und ich möchte mich angemessen revanchieren. Du sagst, dein Geist hat nur begrenzte Fähigkeiten?«
    »Er ist klein«, sagte ich und hielt abermals Daumen und Zeigefinger hoch.
    »Kann er ihr eine makellose Stimme schenken? Zumindest für eine gewisse Zeit. Wenigstens für eine Vorstellung.«
    »Ich frage ihn.« Mortensons Vorschlag schien durchaus ehrbar zu sein. Seine Ex-Geliebte sang Kantaten in der hiesigen Kirche, wenn das der richtige Ausdruck ist. Damals hatte ich ein Ohr für Musik und besuchte derlei Veranstaltungen recht oft (wobei ich natürlich darauf achtete, daß der Klingelbeutel an mir vorüberging). Ich hörte sie gern singen, und das Publikum reagierte wohlwollend. Damals dachte ich, daß ihre Moral der Umgebung nicht ganz angemessen war, aber Mortenson sagte mir, daß man bei Sopranistinnen Zugeständnisse machen würde.
    Und so konsultierte ich Azazel. Er war durchaus hilfsbereit; keinen Unsinn, von wegen, daß er meine Seele wollte. Ich weiß noch, ich fragte Azazel einmal, ob er meine Seele wollte, und er wußte nicht mal, was das ist. Er fragte mich, was das bedeutet, und es stellte sich heraus, daß ich es auch nicht wußte. Es ist so, er ist in seinem eigenen Universum so ein kleiner Kerl, daß er sich höchst erfolgreich fühlt, wenn er in unserem etwas bewegen kann. Er hilft gern.
    Er sagte, drei Stunden könnte er schaffen, und Mortenson sagte, das wäre perfekt, als ich ihm die Neuigkeit überbrachte. Wir entschieden uns für einen Abend, an dem sie Bach oder Händel oder einen dieser alten Zupfgeigenhansel singen wollte und ein langes und eindrucksvolles Solo hatte.
    Mortenson ging an diesem Abend in die Kirche, und ich natürlich ebenso. Ich fühlte mich für die kommenden Ereignisse verantwortlich und fand es besser, die Situation im Auge zu behalten.
    »Ich habe ihre Probe besucht«, sagte Mortenson düster. »Sie sang wie immer; du weißt schon, als hätte sie einen Schwanz, auf den gerade jemand getreten ist.«
    So hatte er ihre Stimme früher nie beschrieben. Sphärenmusik, sagte er bei mehreren Anlässen, und danach wurde er zunehmend überschwenglich. Natürlich hatte sie ihm zwischenzeitlich den Laufpaß gegeben, das trübt das Urteilsvermögen eines Mannes.
    Ich betrachtete ihn strengen Blickes. »So spricht man nicht von einer Frau, der man ein großes Geschenk macht.«
    »Das ist es ja. Ich möchte, daß ihre Stimme makellos ist. Einfach makellos. Und jetzt - da die Liebe mich nicht mehr blind macht - erkenne ich, daß sie weit davon entfernt ist. Glaubst du, dein Geist kommt damit klar?«
    »Die Veränderung ist erst für 20:15 Uhr vorgesehen.« Ein Anflug von Argwohn überkam mich. »Du hast doch nicht gehofft, daß die Makellosigkeit bei der Probe aufgebraucht und das Publikum enttäuscht wird?«
    »Da irrst du dich gewaltig«, sagte er.
    Sie fingen ein bißchen früher an; als sie in ihrem weißen Kleid aufstand, um zu singen, zeigte meine alte Taschenuhr, die nie mehr als zwei Sekunden falsch geht, 20:14 Uhr. Sie war keine dieser spindeldürren Sopranistinnen; sie war stattlich gebaut, jede Menge Resonanzkörper, den man braucht, wenn man einen hohen Ton anpeilt und das Orchester übertönen muß. Jedesmal, wenn sie ein paar Liter Atemluft einsog, um die Töne zu erzeugen, wurde mir klar, was Mortenson in ihr sah, natürlich abzüglich einiger Schichten Textilien.
    Sie begann in ihrer üblichen Preisklasse, und exakt um 20:15 Uhr war es, als wäre eine neue Stimme hinzugekommen. Ich sah sie ein wenig zusammenzucken, als könne sie nicht glauben, was sie gehört hatte, und eine Hand, die sie auf das Zwerchfell gelegt hatte, zitterte.
    Ihre Stimme jubilierte. Es war, als wäre sie eine perfekt gestimmte Orgel geworden, jeder Ton war perfekt, ein in diesem Augenblick neu erfundener Ton, neben dem sich alle anderen Töne dieser Tonlage und Qualität wie unvollkommene Nachahmungsversuche ausnahmen.
    Jeder Ton hatte genau das richtige Vibrato, wenn das der zutreffende Ausdruck ist, und schwoll mit ungeheurer Kraft und Beherrschung an und ab.
    Und sie wurde mit jedem Ton besser. Der Organist sah nicht auf seine Noten, er sah sie an, und - beschwören kann ich es nicht - ich glaube, er hörte auf zu spielen. Falls er spielte, hätte ich ihn ohnehin nicht gehört. Man konnte gar nichts hören, während sie sang. Nichts anderes als sie
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