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Azazel

Titel: Azazel
Autoren: Isaac Asimov
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schnappte sich den Ball, der ihm förmlich aus den Händen zu schnellen schien - und wie! Der Ball flog hoch in die Luft und landete treffsicher im Korb.
    Tosender Jubel erschütterte die Tribünen, während Leander nachdenklich zu dem Korb hinaufschaute, als würde er sich fragen, was passiert war.
    Was immer passiert war, passierte wieder - und wieder. Jedesmal, wenn Leander den Ball in die Finger bekam, flog der Ball in hohem Bogen davon. Und sobald er im hohen Bogen davonflog, landete er im Korb. Es passierte so schnell, daß niemand Leander je zielen oder sonst eine Anstrengung unternehmen sah. Die Menge deutete das als überlegenes Können und geriet nur noch mehr aus dem Häuschen.
    Aber dann geschah natürlich das Unvermeidliche, und das Spiel versank im völligen Chaos. Von den Tribünen ertönten Buhrufe; die narbigen Wuchtbrummen, die für die Capone Pfarrschule ins Feld gezogen waren, stießen ungehobelte Bemerkungen beleidigender Art aus, in jeder Ecke des Stadions kam es zu Schlägereien.
    Wissen Sie, weil ich das für selbstverständlich hielt, hatte ich Azazel natürlich nicht gesagt, daß die beiden Körbe des Spielfelds nicht identisch waren: daß einer der Korb der einen und der andere der Korb der anderen Mannschaft war und jeder Spieler auf den entsprechenden Korb zielte. Der Basketball strebte mit der ganzen beklagenswerten Unwissenheit eines seelenlosen Dings stets nach dem Korb, der näher war, wenn Leander zum Wurf ausholte. Als Folge davon schaffte Leander es immer wieder einmal, den Ball in den falschen Korb zu werfen.
    Und davon ließ er sich auch von den freundschaftlichen Ermahnungen des Trainers von Nerdsville, Claws (»Pop«) McFang, die dieser durch den Schaum vor seinem Mund brüllte, nicht abbringen. Pop McFang fletschte traurig die Zähne, weil er Leander aus dem Spiel nehmen mußte, und weinte unverhohlen, als die Helfer seine gekrümmten Finger von Leanders Hals lösten, damit sie ihn vom Spielfeld schaffen konnten.
    Mein Freund Leander erholte sich nie völlig. Ich hätte natürlich gedacht, daß er im Trinken Vergessen suchen und zu einem achtbaren Penner werden würde, der ganz in seinem Los aufging. Dafür hätte ich Verständnis gehabt. Aber er sank noch tiefer. Er widmete sich seinem Studium.
    Unter den geringschätzigen, zuzeiten sogar mitleidigen Blicken seiner Mitschüler schlurfte er von Vorlesung zu Vorlesung, steckte die Nase in Bücher und vertrieb sich die Zeit mit Lernen.
    Aber Juniper blieb ihm die ganze Zeit über treu. »Er braucht mich«, sagte sie, derweil unterdrückte Tränen ihre Augen umwölkten. Sie gab alles auf und opferte sich ihm nach dem Schulabschluß. Sie stand ihm sogar dann noch treu zur Seite, als er den absoluten Tiefpunkt menschlicher Existenz erreichte und seinen Doktor der Physik machte.
    Er und Juniper wohnen heute in einem kleinen Apartment irgendwo an der Upper West Side. Soweit ich weiß, unterrichtet er Physik und forscht auf dem Gebiet der Kosmogonie. Er verdient 60000 Dollar im Jahr, und alle, die ihn als mittelmäßigen Spieler kannten, tuscheln hinter vorgehaltener Hand erschrocken, daß er als möglicher Kandidat für den Nobelpreis im Gespräch ist.
    Juniper beschwert sich nie, sondern steht ihrem gefallenen Gott treu zur Seite. Weder mit Worten noch mit Taten drückt sie je aus, daß ihr etwas fehlt, aber ihrem alten Taufpaten kann sie nichts vormachen. Ich weiß, daß sie hin und wieder wehmütig an die efeubewachsene Villa denkt, die sie nie haben wird, und an die Hügel des kleinen Gartens ihrer Träume, der sich bis zum Horizont erstreckt.
    »Das war die Geschichte«, sagte George, während er das Wechselgeld an sich nahm, das der Kellner gebracht hatte, und die Gesamtsumme von dem Kreditkartenbeleg abschrieb (damit er sie von der Steuer absetzen konnte, nehme ich an). »Ich an Ihrer Stelle«, fügte er hinzu, »würde ein großzügiges Trinkgeld geben.«
    Das machte ich dann auch, noch ganz benommen, während sich George lächelnd entfernte. Es machte mir nichts aus, daß ich um das Wechselgeld gebracht worden war. Ich überlegte mir, daß ich jetzt eine Geschichte hatte, die ich erzählen konnte und die mir mehr einbringen würde, als das Essen gekostet hatte, während George nur eine Mahlzeit bekam.
    Ich beschloß sogar, daß ich auch in Zukunft hin und wieder mit ihm essen gehen würde.

Ein Liederabend
    Ich habe da zufällig einen Freund, der manchmal andeutet, daß er Geister aus der weiten Tiefe beschwören
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