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Azazel

Titel: Azazel
Autoren: Isaac Asimov
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auf dem Phonoregal.
    Sie gab mir die Hand und versuchte nicht, mich zu küssen, was mich erleichtert hätte, wäre ich angesichts ihres Äußeren nicht zu bestürzt gewesen, um Erleichterung zu empfinden. Sie sah vollkommen verhärmt aus. Ich aß ein halbes Sandwich, während ich darauf wartete, daß sie etwas sagte, da sie aber nicht den ersten Schritt machte, war ich schließlich gezwungen, sie unverblümt zu fragen, warum sie eine solche Aura der Niedergeschlagenheit verbreitete.
    »Geht es um Kevin?« fragte ich. Ich war ganz sicher.
    Sie nickte und brach in Tränen aus. Ich tätschelte ihre Hand und fragte mich, ob das genügen würde. Ich streichelte unbeteiligt ihre Schulter, bis sie schließlich sagte: »Ich fürchte, er verliert seinen Job.«
    »Unmöglich. Warum?«
    »Also, er ist so wild, offenbar selbst bei der Arbeit. Er hat seit Ewigkeiten nicht mehr gelächelt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann er mich zuletzt geküßt oder ein freundliches Wort für mich übrig gehabt hätte. Er streitet mit jedem, und zwar ständig. Er will mir nicht sagen, was los ist, und wird wütend, wenn ich danach frage. Ein Freund von uns, der mit Kevin am Flughafen arbeitet, rief gestern an. Er sagt, Kevin benimmt sich bei der Arbeit so verdrossen und mißmutig, daß es sogar den Abteilungsleitern auffällt. Ich bin sicher, daß er seinen Job verliert, aber was kann ich tun?«.
    An sich hatte ich seit unserer letzten Begegnung etwas Derartiges erwartet und wußte, daß ich ihr die Wahrheit sagen mußte - verdammter Azazel. Ich räusperte mich. »Rosie - die Fotografie ...«
    »Ja, ich weiß«, sagte sie, hob sie hoch und drückte sie an den Busen. »Sie gibt mir Kraft. Dies ist der wahre Kevin, den werde ich immer haben, immer, ganz gleich, was geschieht.« Sie fing an zu schluchzen.
    Es fiel mir sehr schwer, zu sagen, was gesagt werden mußte, aber es gab keine andere Möglichkeit. »Du verstehst nicht, Rosie. Die Fotografie, sie ist das Problem. Ich bin ganz sicher. Der Charme und die Fröhlichkeit auf dieser Fotografie müssen irgendwoher kommen. Sie müssen Kevin selbst genommen worden sein. Begreifst du nicht?«
    Rosie hörte auf zu schluchzen. »Wovon redest du da? Eine Fotografie ist nichts weiter als eingefangenes Licht, Film und dergleichen.«
    »Normalerweise ja, aber diese Fotografie -« Ich gab auf. Ich kannte Azazels Unzulänglichkeiten. Er konnte die Magie der Fotografie nicht aus dem Nichts erschaffen, aber ich war nicht sicher, ob ich Rosie den wissenschaftlichen Hintergrund, das Gesetz von der Erhaltung der Fröhlichkeit, erklären konnte.
    »Ich will es mal so ausdrücken«, sagte ich. »Solange die Fotografie dort steht, wird Kevin unglücklich, wütend und übellaunig sein.«
    »Aber sie wird dort stehenbleiben«, sagte Rosie und stellte das Bild nachdrücklich wieder an seinen Platz zurück, »und ich verstehe nicht, warum du so verrückte Sachen über diese eine wunderbare Sache sagst ... hier, ich koche Kaffee.« Sie rauschte ab in die Küche, und ich konnte sehen, daß sie sich in einem Zustand tiefster Gekränktheit befand.
    Ich tat das einzig Mögliche. Immerhin war ich derjenige, der die Fotografie gemacht hatte. Ich war - durch Azazel -verantwortlich für seine überirdischen Eigenschaften. Ich hob hastig den Rahmen hoch und zog vorsichtig zuerst die Rückwand und dann die Fotografie selbst heraus. Ich zerriß das Bild in zwei Teile - vier - acht - sechzehn - und steckte die übriggebliebenen Papierfetzen in die Tasche.
    Just als ich fertig war, läutete das Telefon und Rosie lief ins Wohnzimmer und nahm ab. Ich schob die Rückwand wieder hinein und stellte den Rahmen an seinen Platz zurück. Da stand er nun, leer und bloß.
    Ich hörte Rosie vor Aufregung und Glück quietschen. »Oh, Kevin«, hörte ich sie sagen, »wie wunderbar! Oh, ich bin so froh! Aber warum hast du nichts gesagt? Mach das nie wieder!«
    Sie kam zurück, ihr hübsches Gesicht glühte förmlich. »Weißt du, was dieser schreckliche Kevin gemacht hat? Er hat seit fast drei Wochen einen Nierenstein gehabt - war beim Arzt und so -, hatte schreckliche, quälende Schmerzen und mußte mit einer Operation rechnen - und wollte mir nichts sagen, weil er Angst hatte, ich könnte mir Sorgen machen. Der Idiot! Kein Wunder, daß er sich so elend fühlte, und dabei ist er nicht darauf gekommen, daß sein Elend mich viel unglücklicher machen könnte als die Wahrheit. Also wirklich! Man sollte einem Mann nicht ohne Wärter
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