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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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habe mich von der Idee, mit einem neuen Mann zusammen zu leben, längst verabschiedet.
    »Und suchst du nicht eher eine Frau, mit der du eine eigene Familie gründen kannst?«, forsche ich nach.
    »Nein, nicht unbedingt, ich habe ja die Kinder meiner Schwester, zu denen ich eine sehr enge Bindung habe.«
    »Also ich bin geschieden und meine Kinder gehen jeden Samstagabend bis Sonntagabend zu ihrem Vater«, sage ich mein Sprüchlein auf. »Eigentlich suche ich jemanden, der Lust hätte, mit mir diese Zeit zu verbringen. An eine Beziehung, die über eine Partnerbörse entsteht, glaube ich eigentlich nicht mehr. Das Online-Dating fällt mir wirklich schwer.«
    »Ich bin auch nicht mit dem Internet aufgewachsen«, sagt er.
    »Ja, wie soll man zu den Personen über E-Mails und Fotos einen persönlichen Bezug aufbauen? Die Menschen fallen einfach vom Himmel, man hat keinerlei Anhaltspunkte, keine gemeinsamen Bekannten, nichts.« Meine Stimme ist schon ganz heiser vor lauter Müdigkeit, »OH MANN, ich glaub’ ich hör’ mich fertiger an als du, dabei hast du doch die Grippe.«
    »Nein, ich finde nicht, dass du fertig klingst.« Das ist nett.
    »Ja, liebe Gill, du schreibst in deinem Profil, dass du Lust auf ein Dinner zu zweit hättest. Was hältst du davon, wenn wir zusammen über den Markt vor meiner Wohnung schlendern, einkaufen und dann zusammen kochen?«
    Ich freue mich, dass er eine Verabredung vorschlägt, ich dachte schon, ich hätte ihn mit meiner pessimistischen Einstellung zu Partnerbörsen und meiner müden Stimme längst vergrault. Aber direkt bei ihm zuhause? Ich weiß nicht. Daher antworte ich:
    »Ja, gerne. Das können wir gerne mal machen. Aber fürs erste Date würde ich mich lieber nicht gleich privat treffen.« Bin ich jetzt eine Spaßbremse?
    »Aber wir treffen uns doch privat!« Ja KLAR. Ich mache das nicht professionell.
    »Schon, aber ich meine, dass ich mich lieber draußen in der Stadt, in einer netten Kneipe verabreden würde. Nicht gleich in privaten Räumlichkeiten. Mir fällt hier zuhause sowieso die Decke auf den Kopf, und ich fände es schön, in Düsseldorf mal auszugehen. Samstag bin ich aber schon verabredet, da gehe ich mit einer Freundin in unsere Dorfkneipe und Sonntag habe ich Geburtstag. Da fahre ich mit einer anderen Freundin nach Köln in eine Kunstausstellung. Hättest du denn dann Samstag in einer Woche Zeit?«
    »Ja, Samstag in einer Woche geht bei mir. Dann suche ich was Schönes aus und melde mich wieder bei dir.«
    »Wie schön, das ist sehr nett. Da freue ich mich drauf. Gute Besserung, erst mal.«
    »Ja, danke, bis dann.«
    »Tschüss.«
     
    Das Telefonat war OK. Ob er mich an meinem Geburtstag anruft? Eigentlich freue ich mich auf unsere Verabredung, endlich gehe ich mal wieder in Düsseldorf abends aus. Euphorisch bin ich allerdings nicht mehr. Es kann genauso gut sein, dass sich diese Bekanntschaft, so wie die anderen auch, wieder im Sande verlaufen wird.
    Im Internet geknüpfte Kontakte an sich und die Art der Kommunikation über E-Mail und SMS, oder in äußerst seltenen Fällen mal über das Telefon, sind so unverbindlich, als wären zwei Menschen mit einem seidenen Faden verbunden. Obwohl man dazu neigt, Intimitäten und Gefühle leicht preis zu geben, so, als schriebe man Tagebuch, – das Gegenüber ist ja meist abwesenden – ist diese durch die digitalen Medien erzeugte Nähe trügerisch. Ein abreißen des Kontakts ist jederzeit und ohne Gesichtsverlust möglich, wenn der andere nur den Vornamen kennt, der nicht einmal stimmen muss und man keine gemeinsamen Bekannten hat.
    Langsam beschleicht mich die Frage, ob ich überhaupt noch einen Menschen auf diesem Wege kennenlernen möchte.
     
    Sonntag, 21. Oktober 2012
    Heute ist mein Geburtstag, und ich fahre mit Lisa, meiner Sandkastenfreundin nach Köln. Seit Jahrzehnten ist das der wärmste Oktobertag. Bei 20 Grad sitzen wir am Rhein und essen Muscheln von der Ständigen Vertretung. Ich beobachte, wie ein Mann mit dunklen Haaren, blauem Hemd und dunkler Stoffhose auf eine Frau mit langen braungelockten Haaren zugeht, sie zur Begrüßung einfach packt und auf den Mund küsst. Dann aber, plötzlich verlegen, geht er mehrere Schritte zurück. Ihre Freundin, die zu dieser Verabredung mitgekommen ist, steht daneben und wird einfach ignoriert. Ich stelle mir vor, dass sich die beiden vorher viel geschrieben haben, sich heute zum ersten Mal sehen und sie vorsichtshalber ihre Freundin mitgenommen hat. Denn wer weiß, was
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