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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating
Autoren: Gill Gartenstadt
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während ich intensiv auf Larissa einrede. Wir stehen vor einem digital collagierten Foto des schwarzen Flusses Chao Phraya, der durch Bangkok fließt und dabei allerlei Unrat mit sich führt. Im Wasser spiegeln sich die bunten Lichter der Stadt, und bei genauerer Betrachtung findet man Industriemüll und hin und wieder eine Blüte. Eine pinke Mädchenhaarspange in Blütenform ist auch dabei. Mittlerweile hat sich eine Menschentraube um uns gebildet, was Larissa zuerst bemerkt.
    »Komm, Gill, es ist mir SOOO peinlich, lass uns bitte weitergehen.«
    In fast allen Fotos dieser Serie, die sich durch andersfarbige Lichtreflexionen auf der Wasseroberfläche unterscheiden, entdecke ich verschiedene Stäbchen und mache mich bei jedem Bild auf »Stäbchensuche«. Grüne Pflanzenstiele, eine abgebrannte Wunderkerze, bunte Strohhalme und neon-pinke verbrauchte Knicklichter. Das sind kleine Kunststoffstangen, die, wenn man sie knickt, für kurze Zeit leuchten. Der Hit auf jeder Party. Und auf Kindergeburtstagen.
    Ich gehe um die Ecke und bleibe überrascht vor einem Foto stehen, es ist eine überdimensionale Buchseite. Ich beginne zu lesen:
    »wie die Seerosen auf dem Wasser nicht nur aus Blatt und Blüten und Weiß und Grün bestehen, sondern auch aus ›sanftem Daliegen‹. Gewöhnlich stehen sie dabei so ruhig, daß man das Ganze nicht mehr bemerkt; das Gefühl muß ruhig sein, damit die Welt ordentlich ist und bloß vernünftige Beziehungen in ihr herrschen.« 66
    Aber das ist doch der Text aus dem Buch, das ich gerade lese... »Marcel Proust, Marcel Proust« Das wohl lauteste AHA-Erlebnis des heutigen Abends habe bestimmt ich. Ich sage es jedem, der es hören will. Oder auch nicht.
    Der Abend ist toll, die Ausstellung macht richtig Spaß, und am Schluss komme ich beim Durchblättern des Katalogs mit einer Frau ins Gespräch. Sie trägt einen Trainingsanzug. Silber-grau, WOW. Ich erzähle ihr, dass die beiden großformatigen Texte in der Ausstellung vermutlich aus dem Buch »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« von Marcel Proust stammen könnten. Oder Textcollagen daraus sind. Denn auch er beschreibt in seiner malerischen Sprache eine Seerosenanlage in Frankreich, bei der ich sofort die Bilder von Monet vor Augen hatte. Jetzt, beim Blättern durch den Ausstellungskatalog, finde ich eines der Seerosenbilder. Wie ein kleines Kind freue ich mich darüber, dass ich den Gedankengang von Gursky verstanden habe. Die beiden meterhohen Buchseiten spannen einen Bogen von der Literatur und der Malerei aus der Belle Époche 67 zu seiner neuen Serie Bangkok. ACH und der Fluss steht natürlich für die Zeit.
    Wie wird man unsere Epoche in 100 Jahren nennen? Wie werden sich Partner finden? Ist die Klon- und Stammzellforschung dann so weit, dass man sich den Traumpartner selbst mixen und im Zeitraffer züchten kann? Oder bekommt man ihn zur Geburt gleich mitgeliefert? Vielleicht kann man sich dann für jede Eigenschaft, jede Tätigkeit, jeden erdenklichen Traum, einen Frischen aus dem Automaten ziehen?
    Larissa und ich schreiten die Stufen vom Kunstpalast hinab, und ich sehe vor uns einen Mann über die Treppe huschen, der sich suchend umschaut und kurz zu mir herauf blickt. Er trägt einen grauen Wollmantel und hat dunkle Haare. Als wir unten am Brunnen angelangt sind, schaue ich mich um, aber er ist weg.
     
    Dienstag, 25. September 2012
    Die Vernissage war Sonntagabend sogar in der Tagesschau. Ein Kulturereignis, zu dem internationale Kunstliebhaber geladen waren. Im Anschluss gab es sogar noch eine Techno Party, auf der Sven Väth 68 aufgelegt hat. Aber das lese ich erst heute. Ich bin immer noch sehr begeistert und bereue es, dass ich keinen Mann an meiner Seite habe, der sich freuen würde, mit mir zu solchen Anlässen zu gehen.
     
    SMS an Marc
    23:04, 25 Sep.
     
    Samstag war ich auf der Gursky-Vernissage und dachte, Du bist vielleicht auch da. Sollen wir uns bald mal wieder verabreden?
     
    Dienstag, 9. Oktober 2012
    Abend.
    Von Marc habe ich keine Nachricht mehr erhalten. Deshalb schaue ich mich wieder bei Schnappie um, aber eigentlich langweilt mich die Plattform.

HAKIM, DER CHAT
     
    SCHNAPPIE
    Chatprotokoll mit Hakim (Zaikdi, 32)
    09.10.2012
     
    Zaikdi:
    21:27:18
    Klopf,Klopf....:)
    Serendipity:
    21:28:59
    Hi, oh hallo, ich habe hier noch nie gechattet...
    Zaikdi:
    21:29:28
    ok^^,es gibt immer das erstes Mal:)
    Serendipity:
    21:30:46
    was machst du denn in der gesundheit und fitnessbranche?
    Zaikdi:
    21:31:49
    mehr im
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