Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
nicht viel tun. Helen erzählte einen Witz, dann erzählte Anna einen, verdrehte aber das Ende, und ich brachte sie zum Lachen, indem ich ihnen zeigte, wie mein Pony waagerecht vom Kopf abstehen konnte – da klopfte es an der Tür.
    »Wahrscheinlich die Ziegenbärtigen«, sagte ich, »um sich zu entschuldigen, weil sie euch gestern nichts zu essen gegeben haben.«
    Ich machte die Tür auf, und vor mir stand jemand, den ich erkannte, der aber nicht hierher gehörte. Garv.
    Es verschlug mir die Sprache.
    »Hallo«, sagte er.
    »Was machst du denn hier?«
    »Du hast gesagt, wenn du nach einem Monat nicht zurück bist, soll ich dich holen.«
    Es waren vier Wochen vergangen, kein ganzer Monat, und
ich wusste, dass er gekommen war, weil er gehört hatte, dass ich mit Shay Delaney zusammen war. So eine Frechheit, nach der Sache mit der Schokotrüffel-Frau.
    Er sah aus wie einer von denen, die eine Zeit lang auf einer einsamen Insel gelebt haben. Sein Haar war länger als sonst und stand in Büscheln vom Kopf ab, ein Dreitagebart machte sein Kinn und seine Wangen dunkel, und in dem grellen Sonnenschein waren seine Augen von einem leuchtenden Blau – da, wo sie nicht blutunterlaufen waren. Auch seine Jeans und sein T-Shirt sahen aus, als hätte er darin geschlafen, was ja auch zutraf, wenn er gerade mit dem Flugzeug aus Irland gekommen war.
    »Wer ist es?«, fragte Helen.
    »Der Ehebrecher«, hörte ich Mum sagen.
    »Bevor sie mich steinigen« sagte Garv, »möchte ich gern mit dir sprechen.«
    »Komm«, sagte ich matt. »Wir gehen zum Strand.«

46
    D ie Aussicht auf das Gespräch mit Garv war für mich ungefähr so verlockend wie die Vorstellung, noch einmal Hunderte von kleinen Glassplittern aus meinem zerfetzten Knie gezogen zu bekommen, wie ich es mit sechzehn erdulden musste. Dennoch gelang es uns, im freundlichen Ton miteinander zu plaudern, während wir die sechs Blocks zum Strand gingen.
    »Du hast dir die Haare schneiden lassen«, sagte er. »Steht dir gut.«
    »Ach, in Wirklichkeit findest du es scheußlich – gib’s zu.«
    »Nein, wirklich. Es sieht sehr … raffiniert aus. Besonders der Pony.«
    »Oh, ich bitte dich. Hast du ein Hotel?«
    »Ja, es ist ganz in der Nähe. Ich habe Mama Emily angerufen, und sie hat mir das Hotel empfohlen, wo sie damals gewohnt hat –«
    Ich unterbrach ihn. »The Ocean View. Meine ganze Familie wohnt da.«
    »Ahaaa. Vielleicht sollte ich besser auf meinem Zimmer frühstücken, wenn ich im Speisesaal nicht mit faulen Eiern beworfen werden will.«
    »Wahrscheinlich wäre das ratsam. Jetzt erzähl mir mal, warum hast du nicht einfach angerufen, statt hierher zu kommen?«
    »Ich habe angerufen, ich weiß nicht, wie oft, aber immer
war der Anrufbeantworter dran, und es kam mir komisch vor, eine Nachricht drauf zu sprechen …«
    »Ach, dann warst du Emilys Telefonterror.«
    »Ach ja? Gott, mein geheimes Doppelleben, von dem ich keine Ahnung hatte. Außerdem dachte ich, es wäre besser, wenn wir ein paar Sachen persönlich besprechen könnten.«
    Bis zu dem Moment hatte ich geglaubt, Garv sei gekommen, weil Helen gesagt hatte, ich sei mit Shay Delaney ausgegangen. Doch plötzlich war ich mir nicht so sicher, warum genau Garv ein persönliches Gespräch erstrebenswert fand. Gäbe es weitere Entdeckungen zu machen? Vielleicht die, dass seine neue Freundin schwanger war? Der Gedanke war ein solcher Schock, dass ich auf der Stufe zum Strand stolperte.
    »Triffst du dich immer noch mit dieser Frau?«, fragte ich.
    Zu seinen Gunsten muss ich sagen, dass er mich nicht mit einem unschuldigen Blick und der Frage: »Welche Frau?« zu täuschen versuchte. »Nein, nicht mehr.«
    Die erste Empfindung war Erleichterung, doch im nächsten Moment brauste eine Welle der Eifersucht über mich hinweg. Es war also eine Tatsache. Eine tatsächliche Tatsache. Ich vergaß meine beiden vergangenen Abenteuer völlig und fühlte mich leer und betrogen. Ein Gefühl der Unwirklichkeit überkam mich.
    »Wer war es?«
    »Jemand aus der Firma.«
    »Wie heißt sie?«
    »Karen.«
    »Und weiter?«
    »Parsons.«
    In einem Anflug selbstzerstörerischen Voyeurismus wollte ich alles wissen. Wie sah sie aus? War sie jünger als ich? Wo hatten sie miteinander geschlafen? Wie oft? Was für Unterwäsche trug sie? »War es ernst?«
    »Kein bisschen. Es war sofort wieder vorbei.« Jedes Wort traf mich wie ein Pfeil.
    »Hast du mit ihr geschlafen?« Ich wollte so sehr, dass er Nein sagte, sie hätten nur Händchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher