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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt
Autoren: Charles Bukowski
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nicht? Würdet ihr einen umlegen
lassen? Wegen vier Riesen plus Zinsen?«
Temple zog eine Packung Zigaretten heraus, nahm sich eine
und zündete sie mit seinem Feuerzeug an. Er inhalierte langsam
und blies den Rauch von sich.
»Belane, Sie langweilen mich.«
Dann sagte er über die Schulter: »Luke …«
»Ja, Johnny?«
»Siehst du den Vogel da in dem Käfig?«
»Ja, Johnny.«
»Geh da rüber, hol den Vogel aus dem Käfig und iß ihn.« »Is gut, Johnny.«
Luke ging auf den Käfig zu.
»Herrgott, Temple, halten Sie ihn zurück!« schrie ich. »Halten Sie ihn auf!«
»Luke«, sagte Temple, »ich hab mirs anders überlegt. Ich will
nicht, daß du den Vogel ißt.«
»Soll ich ihn erst braten, Johnny?«
»Nein, laß ihn einfach. Stell dich wieder an die Tür.« »Ja, Johnny.«
Temple sah mich an. »Sehen Sie, Belane? Wir müssen zu
unserem Geld kommen. Egal wie. Wenn es mit einer Methode
nicht klappt, nehmen wir eine andere. Wir müssen im Geschäft
bleiben. Wir sind stadtbekannt. Unser Ruf ist überall anerkannt.
    Nichts und niemand darf diesen Ruf beschädigen. Ich möchte, daß Ihnen das restlos klar ist.«

    »Ich glaub, ich hab kapiert, Temple.«

    »Schön. Ihre erste Zahlung ist in fünfundzwanzig Tagen fällig. Sie sind hiermit instruiert.«

    Er stand auf und lächelte. »Schönen Tag noch«, sagte er und wandte sich zum Gehen.

    »All right, Luke, mach die Tür auf. Wir gehen.«
    Luke tat es. Temple drehte sich noch einmal um und bedachte mich mit einem letzten Blick. Er lächelte jetzt nicht mehr. Dann
    waren die beiden verschwunden. Ich ging zum Käfig rüber und betrachtete den Kanarienvogel. An manchen Stellen ging die rote Farbe ab, und das ursprüngliche Gelb kam wieder durch. Ein niedlicher Vogel. Wir sahen uns an. Er gab ein kleines »Tschilp« von sich, und irgendwie fühlte ich mich dabei richtig gut. Ich war leicht zufriedenzustellen. Das Problem waren die anderen. Der Rest der Welt.

50
    Ich beschloß, nach Hause zu fahren und einiges zu trinken. Ich mußte nachdenken. Ich kam nicht weiter. Mit dem Red Sparrow nicht, und mit meinem Leben auch nicht. Ich fuhr also rüber, parkte die Karre, stieg aus. Dieses Apartment mußte ich allmählich loswerden. Ich wohnte schon fünf Jahre drin. Als würde man ein Nest bauen, obwohl es nichts auszubrüten gibt. Zu viele Leute wußten inzwischen, wo ich wohnte. Ich ging zur Tür und schloß auf, und als ich sie aufdrücken wollte, war etwas im Weg. Ein Körper. Eine Braut, die ausgestreckt am Boden lag. Nein, zum Teufel, es war eine dieser aufblasbaren Gummipuppen, mit denen es manche Kerle treiben. Aber nicht ich, Kumpel. Die Braut war prall aufgeblasen. Ich hob sie auf und legte sie auf die Couch. Erst jetzt fiel mir auf, daß sie einen Zettel um den Hals hatte: »Belane, laß die Finger vom Red Sparrow, oder du bist toter als diese tote Fickliese aus Gummi.«
    Reizende Nachricht. Ich hatte also Besuch gehabt. Jemand wollte nicht, daß ich mich um den Fall kümmerte. Das gab mir Hoffnung. Den Red Sparrow mußte es wirklich geben, sonst würden sich diese Leute nicht so aufführen. Ich mußte nur noch die Fährte aufnehmen. Es mußte eine geben, denn man fand zu viele Kratzspuren. Vielleicht war ich hinter etwas Großem her. Womöglich international. Vielleicht was aus einer anderen Welt. Der Red Sparrow. Donnerwetter, das wurde langsam interessant. Ich mixte mir einen Drink und genehmigte mir einen Schluck. Da klingelte das Telefon. Ich nahm ab.
    »Ja?«
»Pupser, was machst’n so?«
Mir lief es kalt den Buckel runter. Es war Penny, eine meiner
    Ex-Frauen. Vor fünf Jahren, nach unserer Scheidung, war sie verschwunden mit einem Typ namens Sammy, der in Las Vegas an den Spieltischen arbeitete. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihr gehört.
    »Tut mir leid, Madam. Falsche Nummer.«
»Ich kenn doch deine Stimme. Wie gehts, Pupser?« Das war ihr Spitzname für mich. Natürlich vollkommen
    grundlos.
»Beschissen«, sagte ich.
»Du brauchst Gesellschaft.«
»Nee.«
»Du hast nie gewußt, was du brauchst, Pupser.«
»Kann sein. Aber ich weiß, was ich nicht brauche.« »Ich komm gleich zu dir rauf.«
»A-ah.«
»Ich ruf von unten aus’m Foyer an.«
»Wo ist denn Sammy?«
»Wer?«
»Sammy.«
»Ach, der … Paß auf, ich komm jetzt rauf.«
Penny legte auf. Ich fühlte mich so elend, als hätte man mich
    mit Scheiße vollgeschmiert. Ich trank mein Glas aus und machte mir noch einen Drink. Dann kam das Klopfen. Ich machte auf, und da stand sie – fünf Jahre älter
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