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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman]
Autoren: FUEGO
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Abstand immer größer wurde, der Ballon immer kleiner, je älter Linus wurde.
    Er setzte sich in einen Strandkorb und spürte, wie der Alkoholpegel, der sich im Laufe des Tages stabilisiert hatte, langsam absank. Sein Körper verlangte nach mehr, während sein Verstand ihm sagte, dass es besser gewesen wäre, nach Brunssens Tischrede Kaffee statt Bier zu trinken.
    Er ließ seinen Blick über den Strand schweifen.
    Fünfzehn Jahre waren seit Hannahs Tod vergangen. Er hatte ihr die Fernbedienung aus der Hand genommen und auf den Couchtisch gelegt.
    Während hinter ihm leise die Tagesthemen verlesen wurden, hatte er ihren Namen gesagt, um sie zu wecken. Er hatte sie schon immer mit ihrem Namen angesprochen. Mark hatte sie Mutti genannt, für Linus war sie Tante Hannah.
    Lange bevor er es gewusst hatte, hatte er gespürt, dass er nicht ihr leiblicher Sohn war, obwohl sie sich Mühe gegeben hatte, zwischen ihm und Mark keine Unterschiede zu machen.
    Er hatte ihren Namen wiederholt, ein Mal zwei Mal. »Hannah. Hey, Hannah.«
    Dann wurde ihm klar, dass sie tot war.
    Auf den ersten Blick sah es aus, als würde sie schlafen. Doch je länger er sie betrachtete, desto friedlicher erschien ihm der Zustand. Ein Frieden, den kein Schlaf schaffen konnte.
    Er holte eine Decke und legte sie über Hannahs Körper. Ihre Schultern und ihren Kopf ließ er frei, und den Fernseher ließ er laufen, ganz leise.
    Dann ging er in die Küche, setzte sich an den Tisch und überlegte, wie spät es wohl in den Vereinigten Staaten sein mochte. Konnte er Mark anrufen oder würde der schlafen? Aber war es nicht völlig egal, ob er schlief? Musste er nicht sofort informiert werden, egal wie spät es war?
    Linus war siebzehn. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Und so war sein ganzes Denken auf eine Tat ausgerichtet. Auf den nächsten logischen Schritt. Mark anrufen. Der war älter. Der würde wissen, was zu tun war.
    Linus erinnerte sich, dass die Zeitverschiebung nach Vermont sechs Stunden betrug. Man musste also sechs Stunden zurückrechnen. Oder vor.
    Dann fiel ihm der Notizzettel in der Küchenschublade ein. Hannah hatte Marks Nummer darauf geschrieben.
    Freizeichen. Doch keiner nahm ab. Er versuchte es noch mal, ließ es lange klingeln, doch es meldete sich niemand.
    Er ging zurück ins Wohnzimmer, setzte sich auf die andere Seite des Couchtisches, stellte den Fernseher ein bisschen lauter und sah sich einen französischen Film an.
    Hannah lag zugedeckt auf dem anderen Sessel, ihre Augen waren geschlossen. Linus stellte sich vor, sie würde nur schlafen.
    Erst am frühen Morgen erreichte er seinen Halbbruder. Mark begann am Telefon zu weinen und Linus verstand nichts mehr von dem, was Mark sagte oder zu sagen versuchte. Marks Frau Cathy nahm den Hörer und erklärte Linus mit schwerem amerikanischem Akzent, dass er einen Arzt rufen solle, der den Tod feststellen und ihm bei allem Weiteren helfen würde. Im Hintergrund hörte er Mark schluchzen und stöhnen. Cathy versprach Linus, dass sie sehr bald zurückrufen würden, und legte auf.
    Mark war damals zu Cathy in die USA gegangen, weil er sie liebte und weil er die USA aus dem Kino kannte und mochte. Und weil Cathy ihn ebenfalls liebte, ihm sogar einen Job in der Firma ihres Vaters in Burlington besorgen konnte, hatte es nicht die geringsten Zweifel an Marks Zukunft gegeben.
    Nach nur einer halben Stunde rief Mark zurück, nur unwesentlich gefasster. Während des Redens brach seine Stimme immer wieder und er hatte Mühe, sich zusammenzureißen. Er sagte, er habe es bisher niemals bereut, so weit weg zu sein. Außer heute. In diesem Moment wünschte er sich, er könnte zu Hause sein. Bei seiner Mutter. Linus konnte das verstehen. Mark tat ihm leid.
    Nachdem sie aufgelegt hatten, rief Linus seinen Hausarzt an, der ihn schon als Kind behandelt hatte, und während er auf das Eintreffen des Arztes wartete, setzte er sich zu Hannah ins Wohnzimmer, verabschiedete sich von ihr und versprach, sie zu besuchen, wenn er selbst eines Tages tot sein würde.
    Am folgenden Vormittag komponierte er mit der Gitarre einen Song für Tante Hannah, der den Titel Song für Tante Hannah trug. Dann wurde er traurig.
    Eine starke Windböe schlug in den Strandkorb ein. Linus schüttelte sich vor Kälte. Er knöpfte das Jackett so weit es ging zu und legte seine Hände ineinander verschränkt in den Schoß. Er senkte den Blick.
    Dieses Runtergucken muss ein Ende haben, dachte er. Es war an der Zeit, sich in seiner
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