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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'!
Autoren: C Winter
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einem erneuten Schlag gegen das schuldlose Holz aus. Ich ducke mich rechtzeitig und ihre Faust saust ins Leere.
    „Sag mal, spinnst Du? Ich versuche schon den ganzen Tag, dich zu erreichen!“
    Wortlos drehe ich mich um und schleiche in die Wohnung zurück. Sie folgt mir, fasst mich an der Schulter. Unerbittlich zärtlich. Eine Träne kullert meine Wange herunter. Ihre Arme öffnen sich einladend. Mit einem Schluchzen schmiege ich mich hinein.
     
    Eine halbe Stunde und etwa fünf Zigarettenlängen später senkt sich betroffenes Schweigen über das Halbdunkel der Küche.
    „Das ist ja echt ein dicker Hummer.“
    Unter Gourmets „vergenießbart“ man sogar Sprichwörter. Sie mustert mich konsterniert und greift nachdenklich nach dem Dornfelder Rotwein.
    Meine Freundin Britta ist Sozialpädagogin. Sie ist das durchaus aus Überzeugung, also mit Absicht. Mit vollem Vor- und Zunamen heißt sie Britannia Cordula Kern. Ihre Eltern zeugten sie in einem walisischen Einmalzweimeterbett und beschlossen in einem Anfall von Flitterwochenromantik, ihrer unglückseligen Tochter diesen Vornamen zu verpassen. Außer ihnen, zwangsläufig ihrem Mann Andreas, und meiner Wenigkeit kennt vermutlich nur der Sachbearbeiter der Personalausweisbehörde ihren richtigen Namen. Britta arbeitet in der Familienberatungsstelle einer karitativen Einrichtung. Dort lebt sie das aus, was sie ihre wahre Berufung nennt. Britta berät alles und jeden. Am liebsten die, die völlig beratungsresistent sind. Es nützt nicht, ihr widerstehen zu wollen. Jeder Ansatz wird im Keim erstickt. Sie verfügt über eine bemerkenswerte Ausdauer. Diese Frau umweht eine Aura, der sich niemand entziehen kann. Ihre Augen saugen dich zunächst mit braun-grünen Farbsprenkeln in den Bann, ihr Lächeln klebt dich an ihrem üppigem Busen fest und dann öffnet sie den lieblichen Mund, um dich ganz zu verschlucken. Hat sie dich erst mal in sich, kommst du nicht mehr raus. Vor allem stellst du fest, dass du das auch gar nicht willst.
    Ich muss zugeben, sie macht ihren Job verdammt gut. Manchmal allerdings geht sie ein wenig zu weit. Ich kenne eines ihrer Opfer. Beziehungsweise kannte. Ich glaube, er wanderte nach Schweden aus, Lachs fischen. Oder nach Irland, Border Collies züchten. Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist er sogar tot.
    Faktisch änderte sich sein Leben radikal, als er Britta Kern traf. Er begegnete ihr zunächst völlig unverfänglich auf einer Internetplattform. Genauer gesagt, in einem Forum für Gartenfreunde. Britta hat übrigens keine Ahnung von Pflanzen. Der Mann, nennen wir ihn Carl, fahndete arglos im Chat nach Saatgut für eine seltene Gattung Orchideen. Wirklich, es gibt Leute, die tun so was. Dabei geriet er an meine Freundin. Es dauerte keine zehn Minuten, und man sprach über alles andere als Grünzeug. Carl brachte es in seinem fünfzigjährigen Dasein zu drei Kindern und einer unsichtbaren Ehefrau. Diese Sorte Frau kenne ich. Sein Leben bestimmten etwa zu achtzig Prozent sein Arbeitgeber und zu fünfzig Prozent seine Kinder. Die Frau gehörte eh zu „unter ferner liefen“. Carl brauchte sechzig Minuten, um zu erkennen, nicht glücklich zu sein. Binnen kurzer Zeit hasste er seinen Chef und seinen Job erst recht. Achtundvierzig Stunden später war Carl verknallt. Mächtig. Allerdings nicht in seine unglückselige Ehefrau. Kompensation, meinte Britta dazu und machte ihm klar, dass er sich gewaltig irrte. Eine Woche danach trennte Carl sich von seiner Vaterrolle und der des Ehemanns. Er zog nach Berlin und schrieb auf einer Postkarte, nun herausfinden zu wollen, wer er sei. Nach sechs Monaten kaufte er sich ein Flugticket. Bis dato sein letztes Lebenszeichen.
    So ist meine Freundin eben. Ein wahrlich barmherziger Samariter. Mir erspart sie die guten Ratschläge. Sie sieht das nicht beruflich. Zum Glück. Stattdessen stellt sie mir ihre rechte Schulter zur Verfügung und reicht mir mit ihrer linken Hand ein Glas Wein. Ohne zu kleckern, während ich meinen Kummer ausschütte, der feinsandig ihre Arme herab rieselt. Irgendwann bleibt nichts mehr übrig, das verstreut werden könnte. Ich fühle mich besser. Leichter.
    „Willst du zurück?“, fragt Britta knapp.
    „Nein.“
    Ich muss gar nicht lange nachdenken.
    Sie lehnt sich nach hinten und wippt mit dem Stuhl. Eine schmale Rauchfahne steigt aus ihrem gespitzten Mund an die Zimmerdecke. Sogar auf einem wackeligen Holzhocker schafft sie es, sich lasziv zu räkeln.
    „Dann sollten wir uns was
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