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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Autoren: Andreas Eschbach
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auf zu leuchten.
    Am Hauptausgang widersetzten sich vier Männer in Livree der Menschenbrandung, Schilder mit der Aufschrift »Lakeside and Rowe« in die Höhe reckend. Es galt zu warten, bis alle die Kontrollen passiert hatten und das Team vollzählig war. Auf einem Parkplatz in der Nähe warteten vier schwarze, lang gestreckte Limousinen, und jemand witzelte, ohne wirklich daran zu glauben, dass man sie damit wohl in die Stadt fahren würde. Die Männer in Livree hörten es, verzogen keine Miene dabei, aber genauso kam es. Das Team bestand aus sechzehn Leuten; es ging genau auf.
    Es war wie im Film. Sie fuhren auf die graue Skyline am Horizont zu, überquerten eine Brücke und rauschten endlich nach Manhattan hinein, durch Häuserschluchten, Mann, die wirklich so hoch waren, wie er sie sich immer vorgestellt hatte, vorbei an grimmig rennenden Menschen in sämtlichen Hautfarben, die der Planet zu bieten hatte. Überall Fahrräder und die gelben Taxis, die er aus tausend Filmen kannte. Und Busse. Und ein silbrig glänzender, unwirklicher Dunst über allem, Abgase vielleicht oder schlicht Dampf, der im Sonnenlicht leuchtete, das unerwartet hell und heiß und intensiv war. New York, Himmel noch mal, er hatte es geschafft! Er war hier, wo er hingehörte: in der Hauptstadt der Welt, im Zentrum aller Dinge, da, wo der Puls der menschlichen Zivilisation schlug.
    Die Wolkenkratzer wurden höher, die Straßen schmaler: Upper Manhattan. Der Firmensitz, ein grauer, kantiger Bau aus der Gründerzeit, wirkte in echt kleiner als auf den Bildern in den Prospekten. Aber es gab eine eigene Auffahrt, die Limousinen hielten unter einem gediegenen Stoffdach, und man öffnete ihnen die Türen.
    In Sachen Show hatten die Amis einfach was los. Wenn es um Auftritt und genau berechnete Wirkung ging, machte ihnen keiner was vor.
    Man geleitete sie nach oben, auf eine Art, dass sie sich wie hoch geschätzte Staatsgäste fühlten. Oben vor dem Aufzug begrüßte sie Irving Young, der Leiter Human Ressources höchstpersönlich. Einige der Chefs der diversen Regionen und Märkte standen dabei, und durch offen stehende Türen erhaschte Markus einen Blick in die Büros: traumhaft. Würde er überhaupt arbeiten können vor so einem Panorama? Die Skyline Manhattans, ein Fluss, der in der Sonne glänzte wie Quecksilber … Er konnte es kaum erwarten.
    Ich bin da, wo ich hingehöre! , schoss ihm durch den Kopf. Unmöglich, zuzuhören, was Young alles erzählte, zumal er es in ausgesprochen langweiligem Ton tat.
    Endlich ging es weiter, eine Treppe hoch, in einen Empfangsraum, in dem Sekt und Häppchen bereitstanden. An den Wänden hingen Illustrationen aus dem letzten Geschäftsbericht. Ein Pult stand bereit. Es war also mit weiteren Reden zu rechnen.
    Zu Markus’ Überraschung erschien kurz darauf der greise Simon Rowe, der letzte aus der Gründergeneration, hoch in den Neunzigern, aber immer noch Aufsichtsratsvorsitzender. Er ließ es sich nicht nehmen, jedem von ihnen die Hand zu schütteln. Man erzählte, er käme morgens so früh ins Büro, dass er den Nachtportier verabschieden konnte. Die Arbeit hielte ihn am Leben, pflegte er zu erklären. Wenn diese Erklärung in den Medien auftauchte, fehlte selten der Hinweis darauf, dass sich Rowes Partner Eric W. Lakeside dereinst im zarten Alter von 57 Jahren ins Privatleben zurückgezogen hatte, um Golf zu spielen, Rosen zu züchten, mit seiner Segeljacht vor Florida zu kreuzen und mit 63 zu sterben.
    Rowe dagegen, der die ersten Module des Softwaresystems, mit dem sie die Finanzwelt beglückten, höchstpersönlich geschrieben hatte, in COBO L seinerzeit, lebte noch. Mit ergreifender Mühe erklomm er die kaum knöchelhohe Plattform, auf der das Pult stand. Oben blinzelte er in die Runde, faltete dann ein Blatt Papier auseinander, das aussah, als trage er es seit Jahrzehnten mit sich herum, und hielt eine Ansprache, die im Wesentlichen betonte, wie glücklich sie sich schätzen konnten, für die beste Firma der Welt zu arbeiten. Das Pathos war ein wenig dick aufgetragen, typisch amerikanisch eben – Markus sah, wie der Franzose in ihrem Team die Nase rümpfte –, aber die Geste als solche beeindruckte.
    Als alle dachten, er sei fertig – eine verzeihliche Annahme, da er das Manuskript seiner Rede betulich zusammengefaltet und wieder in seinem Sakko verstaut hatte –, beugte sich der alte Mann über das Mikrofon und sagte: »Denken Sie daran, meine Damen und Herren – Geld regiert die Welt. Das
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