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Aus Licht gewoben

Aus Licht gewoben

Titel: Aus Licht gewoben
Autoren: A Bracken
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alles hat mich wohl mehr mitgenommen, als ich dachte.«
    »Und ich habe schon geglaubt, mein Anblick hätte dich überwältigt.« Er schenkte mir ein schiefes Lächeln.
    »Machst du das oft?«, fragte er, als ich die Umhänge endlich gelöst und ihm in die Arme gelegt hatte. Ohne zu antworten, nahm ich den gelben Umhang entgegen, den er mir reichte. Er war aus leichter Wolle, grob gewebt, aber robust. Ich setzte mich neben ihn auf einen kleinen Stapel Bettzeug und begann sofort mit der Arbeit. Er sah sich im Zimmer um, betrachtete meine halbfertigen Decken und die kleinen Bilder von Cliffton, die ich aus gelbem, braunem und rotem Garn gewebt hatte. Sein Blick fiel auf den Silberring an meiner Wand, eine größere Ausgabe meiner Halskette. Heute Abend würde ich unter dem im Zimmer meiner Eltern beten müssen.
    »Es ist nichts Besonderes«, sagte ich. »Tut mir leid, dass das Zimmer so dürftig ist.«
    »Nein, nein«, wehrte North rasch ab. »Das ist es nicht. Ich bin nur überrascht, dass du Weberin bist.«
    »Warum?«, fragte ich und zog einen zackigen Riss in dem fleckigen gelben Umhang zusammen.
    »Ich wollte damit nur sagen, dass du schon sehr gut bist für dein Alter. Im Weben, meine ich.«
    »Du musst wissen, dass ich gerade sechzehn geworden bin«,
entgegnete ich, machte einen Knoten in den Faden und schnitt den Rest ab. »Bist du nicht ein bisschen zu jung, um ein Zauberer zu sein?«
    »Du musst wissen, dass ich gerade achtzehn geworden bin«, gab er zurück, wobei er meinen Tonfall fast perfekt imitierte. »Ich bin also seit vier Jahren kein Lehrling mehr und außerdem zwei Jahre älter als du.«
    So viel zur legendären Zuvorkommenheit und Liebenswürdigkeit von Zauberern. Er war auch nicht anders als die Jungen, mit denen ich aufgewachsen war.
    »Sehr komisch«, antwortete ich. »Ein Zauberer und ein Spaßvogel.«
    North zuckte die Schultern und sah sich um. »Ich sehe Rot… Gelb… Braun… ein bisschen Grün, und natürlich Palmarta-Purpur. Kein Blau?«
    »Was sollte ich mit Blau anfangen?«, fragte ich mit einem Seitenblick auf ihn. »Hier hat es seit Jahren nicht geregnet.«
    Er sah hinüber zu der Decke, die über meinem Bett hing. Früher war sie einmal eine meisterhaft gewebte Abbildung von Provincia und dem angrenzenden See gewesen, jetzt war sie nur noch fleckig und verblichen.
    »Ah, aber da ist ein bisschen Blau«, sagte er und reckte den Hals, um besser sehen zu können. »Es ist recht gut getroffen. Hast du die Hauptstadt schon einmal besucht?«
    »Selbstverständlich nicht«, antwortete ich. »Eine Frau hat sie mir geschenkt, die durch das Land reiste und ihre Arbeiten verkaufte. Sie hat mir die Decke gegeben und gesagt, ich solle zu ihr nach Andover kommen, wenn ich alt genug wäre.«
    »Und wann wirst du alt genug sein?«
    »Wenn ich in einem anderen Leben und in einem anderen Dorf wiedergeboren werde«, sagte ich.
    »Aber du würdest gerne gehen«, stellte North fest. Mit
nachdenklicher Miene kaute er an der Seite seines Daumens. Nach kurzer Zeit fiel sein Blick auf die Karte von Palmarta, die ich im weichen Putz an meiner Wand befestigt hatte. Mit Garn hatte ich jede Stadt gekennzeichnet, in die Henry bei den Auslieferungen unseres gelben Sandes schon gereist war. In der Mitte zwischen Auster im Osten und Saldorra im Westen gelegen, wirkte unser Land, als könnte es jeden Moment verschlungen werden.
    »Was ich mir wünsche, wird immer etwas anderes sein als das, was alle anderen sich für mich wünschen«, erwiderte ich und machte einen weiteren Knoten.
    »Talentiert genug bist du«, sagte North. »Wenn du in eine Stadt ziehst, könntest du davon leben.«
    Überrascht von der in mir aufsteigenden Wut, schüttelte ich den Kopf. Er konnte von Stadt zu Stadt ziehen, wie es ihm beliebte. Ich hätte die alte Frau nie erwähnen sollen, aber jedes Mal, wenn ich die Decke ansah, konnte ich ihre sanften, runzligen Hände spüren, wie sie den Schmutz von meinen Wangen wischten.
    »Würdest du fortgehen«, fragte er, »wenn du könntest?«
    »Das ist nicht meine Entscheidung«, antwortete ich. »Es muss schön sein, gehen zu können, wohin immer man will. Weißt du schon, wie du nach Provincia kommst?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich werde den direktesten Weg nehmen und mitten durch das Land reisen. Auf dem Weg liegen einige Städte, wie Dellark und Fairwell, aber die meiste Zeit werde ich wohl im Freien verbringen. Du könntest neu anfangen, dir zum Beispiel einen größeren und besseren
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