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Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers

Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers

Titel: Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers
Autoren: FUEGO
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letzten Satz bereits fünfzehn Mal verändern und verfeinern. Das macht den Dalai Lama zum Letzte-Worte-Champion, zum Sterbe-Profi. Wahrscheinlich arbeitet der Dalai Lama auch gar nicht an seinen letzten Worten, weil er sich sagt, dass kann ja dann meine 25. oder 50. Jubiläumswiedergeburt übernehmen. Ich habe nun wirklich kein Recht, mich in irgendeiner Form in die Belange des geistigen Oberhaupts der Tibeter einzumischen, aber ich würde ihm diesen Satz vorschlagen: »Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage.« Das sagte Paulchen Panther immer am Ende jeder Folge von »Der rosarote Panther«. Davor sang ein Kinderchor: »Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?« Auch das wäre ein schöner Satz, der sich vielleicht nicht für den Dalai Lama eignet, aber Sie und ich, liebe Leser, könnten mit diesen Worten einigermaßen originell dem Tod auf die Schippe springen.
    Trockenrauchgedanken
    In meiner Kindheit traten Raucher vor allem auf Zugfahrten in Erscheinung. Ich erinnere mich an endlos lange Reisen von Bielefeld nach Bad Segeberg, die man immer wieder für längere Zeit unterbrechen musste, in Orten wie Löhne, Bad Oldesloe oder Altenbeken. Dort gab es dann dürftig beleuchtete, überheizte Wartesäle, in denen die Atemluft durch ein Konzentrat aus Schweiß, nassen Schirmen und Zigarettenqualm ersetzt worden war. Das erzeugte einen dichten Nebel, aus dem irgendwann ein unfreundlicher Kellner auftauchte, der einem mitteilte, man solle gefälligst etwas bestellen, anderenfalls habe man den Wartesaal unverzüglich zu verlassen. Ich musste immer heftig schlucken und bekam nur mühsam Luft, meine Mutter saß mir hilflos gegenüber und umklammerte ihre Handtasche, in der sich unser Notvorrat an Frischluft befand. In meiner Erinnerung sind diese Räume riesengroß und hoch. Dicke dunkelbraune Vorhänge hatten ungeheure Rauchmengen gespeichert, falls zufällig mal nicht genügend Raucher anwesend sein sollten. Damals waren mindestens sieben von zehn Deutschen nikotinabhängig. In den Zügen fand man oft nur noch einen Platz im Raucherabteil, was ganz besonders schrecklich war. Aber es gab einfach sehr viel mehr Raucher- als Nichtraucherabteile. Die Raucher saßen einem mit harten, abweisenden Gesichtern gegenüber, manchmal musterten sie einen abschätzig, bevor sie weitere Qualmkontingente ins Abteil bliesen. Als Nichtraucher konnte man nichts gegen sie ausrichten. Der Qualm einer Overstolz überdeckte problemlos den Geruch eines Leberwurstbrots, und auch ein gekochtes Ei konnte sich olfaktorisch nur wenige Sekunden im Vordergrund halten. Außerdem schmeckte das alles nicht, wenn neben einem zwei Leute dramatisch an ihrer Eckstein No.5 saugten.
    Die Raucher inhalierten den Sauerstoff direkt durch die Zigarette. Ihre Zigarette war eine Art Schnorchel, mit dem sie uns den Sauerstoff entzogen und als Zigarettenqualm zurückgaben. Sie wirkten wie eine andere humanoide Spezies, sie ernährten sich von gasförmigen Speisen und hatten durch das Rauchen eine besondere Form der Kiemenatmung entwickelt.
    In meiner Jugend war ich umgeben von Rauchern. Alle meine Freunde rauchten aus Leibeskräften. Es sei eine Sucht, sagten sie mit ernsten Gesichtern, und ich solle mich freuen, dass ich Nichtraucher sei. Dann begannen sie, den Tabaksbeutel aus der Tasche zu ziehen und sich vergnügt eine zu drehen. Damals wurde mir endgültig klar, dass Raucher nicht nur eine andere, sondern die überlegene Art waren. Raucher hatten immer etwas zu tun. Selbstdreher natürlich am allermeisten. Sie hantierten unentwegt mit ihren Raucherutensilien, konnten peinigende Gesprächspausen mühelos überbrücken und hatten immer einen Vorwand, Frauen anzusprechen, die natürlich auch begeistert rauchten. Sie konnten überall und mit jedem ins Gespräch kommen, und ihr Kommunikationsinstrument war die Zigarette. Wenn der Gegenüber dann ausnahmsweise mal nicht rauchte, zögerten sie nicht, dem anderen sofort zu versichern, wie gut er es habe. Sie würden ja auch gerne aufhören, aber könnten leider nicht.
    Die hatten ihre Sucht, ich hatte gar nichts. Ich konnte einfach nicht rauchen. Dabei wäre ich gerne Raucher geworden, aber ich schaffte es nicht. Ich hatte mir irgendwann mal ein Päckchen Camel gekauft und es versucht, war aber vor lauter Husten nicht zum Rauchen gekommen. Es wollte mir nicht in den Kopf, und in die Lungen erst recht nicht. Erfahrene Raucher versicherten mir, dass sei nur am Anfang so, spätestens nach
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