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Aus Dem Dunkel

Aus Dem Dunkel

Titel: Aus Dem Dunkel
Autoren: Marliss Melton
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vergessen hätte – schien erst gestern gewesen zu sein. »Ich bin in New Bedford, Massachusetts, geboren, 1968.«
    »Fahren Sie fort«, ermunterte ihn Lovitt und nickte geduldig.
    »Meine Großmutter hat mich aufgezogen«, fuhr Gabe fort und fragte sich, wie sehr der CO an Details interessiert war. War es wichtig, zu wissen, dass seine Mutter sehr jung einen tödlichen Autounfall gehabt hatte? Dass er damals gerade sechs gewesen war und dass er seinen Vater nie kennengelernt hatte?
    »Wir … äh … haben in einem Mietshaus in der Acushnet Street gewohnt.« Seine Großmutter war Alkoholikerin gewesen und hatte von der Pension ihres verstorbenen Mannes gelebt. Ihr erzieherischer Einfluss auf Gabe war ungefähr so groß gewesen wie der des Weihnachtsmanns. Gabe hatte sich durch die Schule gemogelt und war tief in die Kleinkriminalität abgerutscht, als er seine erste echte Vaterfigur getroffen hatte – Sergeant O’Mally von der Polizei in New Bedford.
    Gabe war sich sicher, dass Commander Lovitt nicht unbedingt etwas über Sergeant O’Mally erfahren brauchte, aber es war hauptsächlich dessen Verdienst, dass Gabe zur Navy gegangen war. Wenn O’Mally den Richter nicht davon überzeugt hätte, eine Anklage wegen Autodiebstahls fallen zu lassen, wäre Gabe jetzt gerade erst wieder aus dem Gefängnis entlassen worden. Stattdessen hatte er die Möglichkeit bekommen, etwas aus seinem armseligen Leben zu machen, indem er zur U.S. Navy gegangen war.
    »Ich habe mich verpflichtet, als ich achtzehn war.« Gabe beschloss, seinem CO die Einzelheiten zu ersparen. »Ich war fast acht Jahre EW «, fügte er hinzu und bezog sich damit auf seinen Dienstgrad als Spezialist für elektronische Kriegsführung.
    Lovitt nickte, sein kurzes silbernes Haar glänzte im Licht der Halogendeckenlampen. Gabe vermutete, dass er seinen Lebenslauf bereits kannte – er testete nur das Erinnerungsvermögen des Patienten, genau wie es alle anderen getan hatten, seit er vor drei Tagen mit einer Ambulanzmaschine von der koreanischen Halbinsel ausgeflogen worden war.
    Schnell fasste Gabe den Rest seines Lebens zusammen. »Dann bekam ich eine Empfehlung für BOOST «, fuhr er fort und meinte damit die Erweiterten Möglichkeiten zur Offizierslaufbahn , eine Gelegenheit für einfache Soldaten, Offizier zu werden. »Und nach vier Jahren an der Marine-Akademie bin ich direkt zum BUD /S-Training gekommen.« Die Grundausbildung für Unterwassersprengungen in Coronado war so tief in Gabes Gedächtnis eingegraben, dass auch die schwerste Posttraumatische Belastungsstörung sie nicht hätte auslöschen können. »Ich erinnere mich an meine gesamte Ausbildung, Sir«, betonte er. »Ich kann meinem Land immer noch mit ganzer Kraft dienen.«
    Lovitt nickte grimmig und gleichzeitig bedauernd. »Drei Jahre, an die man sich nicht erinnern kann – ein langer Zeitraum«, bemerkte er.
    Gabes Arzt zufolge war es tatsächlich die längste Zeitspanne, die ein Mensch in Folge einer Posttraumatischen Belastungsstörung jemals vergessen hatte.
    Gabes Blutdruck stieg. Er saß jetzt aufrechter im Bett und hoffte, dass er nicht mehr wie ein halb verhungertes Skelett aussah, sondern mehr so wie früher. »Das Gedächtnis wird wieder zurückkommen, Sir«, schwor er.
    »Ich bin nicht hier, um Sie zu entlassen, Renault«, beschwichtige der Commander. »Sie sind einer meiner Männer, und ich mache mir Sorgen um Sie. Laut Commander Shafer ist Ihr Stirnlappen verletzt worden, was zu Ihrem Gedächtnisverlust beigetragen haben kann. Also, ich glaube, dass ihr Gedächtnisverlust vorübergehend ist. Aber Sie dürfen die Möglichkeit nicht ausschließen, dass es auch dabei bleiben kann.«
    Gabe starrte in Lovitts unbewegtes Gesicht und fragte sich, was er tatsächlich dachte. Lovitt war ein guter CO – fähig und engagiert, aber unmöglich zu durchschauen. Zumindest schien er nicht das zu unterstellen, was der Analyst der DIA gestern angedeutet hatte: Dass Gabe im Verhör des Feindes zusammengeklappt war und Staatsgeheimnisse preisgegeben hatte, dass der Gedächtnisverlust ein praktischer Weg war, um diese Schmach zu verdrängen.
    Aber hatte der CO auch nur die geringste Ahnung, welche Narben Gabe davongetragen hatte? Er ballte die Finger seiner linken Hand zur Faust, um seine Nägel zu verbergen, die gerade erst wieder nachwuchsen.
    »Erinnern Sie sich in irgendeiner Weise an den Abend, an dem Sie verschwanden, Lieutenant?«
    Gabe hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde. Von allen
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