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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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vor dem Ausbruch der Pest im Reich.
    Robert Suasor, Ratgeber der guten Stadt Bern, an einen löblichen Rat der Stadt Straßburg, gegeben zu Bern im Herbst des Jahres des Heils 1348
     
    Omnipotens vos conservet.
Der Allmächtige möge Euch bewahren.
     
    Ihr habt uns gebeten, den Bürgern in Straßburg völlige Nachricht zu geben vom Wesen und der Ausbreitung des großen Sterbens, das von Italien her jetzt auch unsere Gebiete erreichen wird, und Wege zu nennen, wie wir den Grund dieses schrecklichen und noch nie da gewesenen menschlichen Verderbens herausgefunden und endlich den Anfang zu einem guten Ende gemacht haben.
    Wir kommen dieser Bitte mit Eifer nach: Die ganze Menschheit soll erfahren, welche Machenschaften des Teufels dieses allgemeine Sterben verursachen und wie diese verderbliche Seuche zum Wohle der ganzen Christenheit von der Wurzel her auszurotten ist.
    Wir senden dem Rat der lieben Stadt Straßburg die getreuen Ab-schriften aller Dokumente, damit Ihr mit der Hilfe Gottes von dem Schrecken in Eurer Stadt verschont bleiben möget.
    Robert Suasor
    DOKUMENT 1
    Bericht von Jodokus Scheuffelin, Stadtmedikus
von Bern, über das Wesen der neuen und
schrecklichen Seuche, die vom Königreich Neapel
her unsere Länder bedroht
     
    Dem ehrbaren Rat der Stadt Bern zu wissen, bin ich mit dem Auftrag, das Auftreten und die Ursache des Sterbens zu ergründen, das sich so schrecklich in Italien erhoben hat, nach Mailand gereist und habe dort nach Erkrankten Ausschau gehalten, um genaue Beobachtungen anzustellen über Beginn, Verlauf und das meist tödliche Ende der Krankheit.
    Ich hatte mit dem Leben fast abgeschlossen zu Beginn dieser Reise. Aber meine Auftraggeber hatten gute Gründe für meine Reise und meine Neugier für die Wissenschaften ist unerschöpflich.
    Es hat sich rasch gezeigt, dass die Stadt Mailand von der Seuche zwar noch nicht erreicht, aber schon von vielen, die vor der Seuche geflüchtet sind, erfüllt gewesen ist. Dennoch bin ich weitergereist nach Florenz.
    Ich durfte die Stadt Florenz nicht betreten. So berichte ich, was ich vor ihren Toren von Augenzeugen und Betroffenen in Erfahrung bringen konnte. Der Schwarze Tod, wie sie die Pestilenz hierzulande auch nennen, tobt in der Stadt noch während ich dies - wieder in einiger Sicherheit - niederschreibe.
    Die Menschen sind verstört und wanken bleich durch die Straßen - alles öffentliche Leben ist erloschen, so wurde mir berichtet. Sie lassen jetzt niemanden mehr aus der Stadt heraus, und wer trotzdem daraus flieht und den Häschern in die Hände fällt, wird erschlagen wie ein Hund. Alle menschliche Würde ist tot: Eltern verlassen ihre Kinder, wenn Anzeichen der Pestilenz sichtbar werden. Männer verlassen ihre Frauen, Frauen ihre Männer, Ärzte ihre Patienten und Geistliche ihre Gemeinde, um dann doch auch die Schreckenszeichen an sich selbst zu entdecken und eines einsamen und jämmerlichen Todes zu sterben.
    Jeden Morgen fahren Karren durch die Gassen und die Toten werden von Vermummten aus den Häusern geholt. Es geschieht, dass Kranke noch bei Bewusstsein auf die Karren gelegt und außerhalb der Stadt zu den Toten in Massengräber geworfen werden.
    Nie zuvor hat es einen solchen Verfall der Sitten gegeben: Manche leben in Schenken und Freudenhäusern, saufen und huren, bis die Krankheit an ihnen sichtbar wird und sie, die ganze Welt verfluchend, in den ewigen Tod und das ewige Verderben hinfahren.
    Andere leben nur noch in der Kirche und murmeln Gebet um Gebet. Kein Priester tröstet sie, kein Mönch hört ihre Beichte: Wer genügend Menschenliebe hatte, dies zu tun, ist tot, die anderen sind geflohen - so denn die Flucht gelang.
    Mein Augenmerk aber galt der Form der Krankheit selbst.
     
    Hier nun übergebe ich einem löblichen Rat in Bern meine Ergebnisse.
    Die Pest hat, wie sich zeigt, zwei Formen, deren häufigste ich zuerst berichten will.

Die erste Form der Krankheit:
    Die Krankheit beginnt mit Mattigkeit und fortschreitender Schwäche, zugleich setzt Fieber ein. Der Kranke fühlt sich elend und wird von Schwindel befallen, und es plagen ihn schlimmste Schmerzen an Kopf und Gliedern. Spätestens jetzt - manches Mal auch früher - zeigen sich große Beulen unter den Achselhöhlen und in den Leisten nahe dem Geschlecht. Diese Beulen nehmen bald eine dunkle bis schwarze Farbe an und sind sehr schmerzhaft, unerträglich bei Berührung. Das Fieber steigt. Die großen Schmerzen und das rasende Fieber ermatten den Körper und lassen
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