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Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter
Autoren: Guenther Bentele
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Ohne die Ballen, die waren viel zu schwer!
     
    So hast du deinen Kopf gerettet und deine Familie.
    Und du hast jetzt eine feste Anstellung bei Kaufmann Humpis, und der ist sehr dankbar und lässt dich lesen und schreiben lernen, dass etwas wird aus dir. Der Schreiber ist jetzt dein bester Freund.
    Er ist dir beim Anblick der Ballen um den Hals gefallen und hat geweint.
    Sie haben dich angeschaut wie ein Wunder vom Himmel - aber so schwer war es nicht: Die Lumpen haben dich für einen von ihnen gehalten, weil der Schreiber dich hat fesseln lassen; und der Schreiber hat dich fesseln lassen, weil er dich für einen von den Lumpen gehalten hat.
    Und keiner hat gewusst, wie es wirklich war - nur du, aber eigentlich auch nicht ganz!
    Die Träger und die Muli haben die Waren dann weiter über den Pass mit dem Namen Splügen getragen, denn es geht noch sehr weit hinauf von der Via Mala und von Zillis aus, und dann wieder steil abwärts bis nach Chiavenna; und erst von dort aus können wieder Pferde richtige Fuhrwerke bis nach Mailand ziehen. Du hast aber nichts mehr geschleppt und bist später auf einem der Wagen gesessen wie ein ganz großer Herr und hast auf die anderen Knechte herabgeschaut.
    Und der Schreiber hat dir erklärt, die Lumpen hätten dich umgebracht, sobald du denen den vierten Ballen gezeigt hättest. Er hat es sogar bewiesen: Sie wollten nämlich nicht von dir wissen, wer deine Auftraggeber waren, obwohl sie versprochen hatten, dass sie sich mit ihnen einigen wollten -
     
    Mailand hast du gesehen, aber davon ein anderes Mal -
    Mit Gewürzen, Pfeffer und Nelken und mit großen Ballen von Seide seid ihr zurückgekehrt, das alles habt ihr eingetauscht gegen eure Waren - Leinwand, Salz, Silber, Gold, Pelze, Edelsteine. Und der Humpis hat in Ravensburg alles sauteuer verkauft. Kannst du dir denken!
    Aber ein gefährliches Geschäft ist dieser Handel, das kannst du laut sagen - ein gefährliches Geschäft!

BRUNNENVERGIFTUNG
    Im Jahre 1347 drang die Kunde von einer furchtbaren Seuche von Italien her über die Alpen und verschreckte die Menschen: der Schwarze Tod. Diese Krankheit verschone niemanden, so hieß es, sie hole Reiche wie Arme, Junge wie Alte, Schöne wie Hässliche, Hoch und Nieder, Geistlich und Weltlich - kein Kraut sei gegen sie gewachsen, kein Arzt könne helfen. Wer sie bei sich entdecke, müsse mit dem Leben abschließen, wer sie bei seiner Frau, seinem Kind, seinem Vater oder seiner Mutter entdecke oder einem Freund, verlasse den Kranken und hoffe, durch rasche Flucht sein Leben zu bewahren.
    Kein familiäres, kein menschliches Band widerstand dem Schrecken der Seuche. Es starben Millionen. Die Menschheit schien dem Untergang geweiht.
    Die Ursache war dunkel: Es gab religiöse, physikalische, geologische oder auch astrologische Theorien.
    Plötzlich aber behaupteten bestimmte Gruppen von Menschen, die Schuldigen zu wissen und zu kennen.
     
    Die folgende Darstellung, eine Dokumentation, zusammengestellt aus mehreren Berichten, ist erfunden. Aber die Fakten darin sind wahr: Die Schilderung des Medikus Scheuffelin an den Rat von Bern über die Krankheit und ihre Symptome hätte damals jeder Arzt in dieser Weise notieren können; die genannten Theorien der Gelehrten zur Ursache der Seuche wurden in ganz Europa verbreitet. Die Anschuldigungen gegen die Leprakranken in Frankreich, sie hätten Brunnen vergiftet und so ihre Krankheit verbreitet - zwanzig Jahre vor dem Auftreten der Pest -, und ihre Hinrichtung haben wirklich stattgefunden. Die beschriebenen Prozesse gegen Juden in Montreux im Schloss Chillon, gegen den jüdischen Arzt Balavignus, den Juden Aquetus und die Jüdin Belieta, hat es wirklich gegeben, und auch die genannten Prozesse und Urteile in Savoyen. Der in Zofingen verurteilte Jude Tröstli ist von der Stadt Bern tatsächlich als »geständiger« Jude nach Straßburg verschleppt worden - als ein »Anschauungsobjekt«.
    Sein Tod steht nicht in den Dokumenten; hier wird er erzählt. Die Frage: Kann man dem Angeklagten ein bestimmtes Verbrechen zutrauen?, war damals übliche »Rechtspraxis«. Die Antwort Ja galt als klares Indiz, wenn nicht sogar als Beweis. Manche Grundherren, Kaufleute oder sogar Herrscher dieser Zeit hatten großes Interesse an der Verbreitung des Gerüchts, »die Juden« trügen die Verantwortung für das ungeheure Sterben. Und so erfasste ein beispielloses Morden, ausgehend von der Schweiz und dem Oberrhein, ganz Deutschland schon zu Beginn des Jahres 1349 - noch
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