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Aufstand der Maenner

Titel: Aufstand der Maenner
Autoren: Johannes Tralow
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Brüsten, die ihrer Umgebung durch Charme und allerlei kosmetische Mittel sowie durch die Entwicklung bestimmter höfischer Umgangsformen imponiert haben dürften (vgl. Belit und Sipha im Roman), nahmen in dieser Welt eine Sonderstellung ein. Daß die Gesellschaftsordnung insgesamt matriarchalisch war beziehungsweise von den Frauen bestimmt wurde, läßt sich nicht belegen.
    Übrigens ist es strittig, weshalb diese überfeinerte höfische Kultur etwa um 1400 v.u.Z. einer rauheren und primitiveren Ordnung weichen mußte. Ein »Aufstand der Männer« war jedenfalls nicht die Ursache, viel eher eine Reihe von Erdbeben, die in diesen Vulkanzonen unseres Planeten ja noch bis heute Schäden von immensem Ausmaß anrichten können. Es wäre erklärlich, daß damals, wie Ausgrabungen auf San-torin (Thera) und anderwärts zeigen, die überfeinerte kretische Kultur durch eine Naturkatastrophe vernichtet worden ist. Die Paläste und Villen mögen zerstört, die bisherige Herrenschicht dezimiert worden sein. Die Truppen - auf den Malereien erkennen wir übrigens auch Neger - waren nicht imstande, den eindringenden griechischen Stämmen standzuhalten, die im Zuge einer großen Expansion die kretische Seeherrschaft vernichteten und von ihren Sitzen Mykene und Tiryns aus weite Teile des östlichen Mittelmeeres kontrollierten. Die Schätze in den Kuppelgräbern der genannten Orte verdeutlichen, wieviel Beute die griechischen Eroberer zusammengeschleppt haben. Viele Kunstwerke lassen vermuten, daß auch kretische Künstler, vielleicht als Kriegsgefangene, in ihrem Auftrag arbeiteten, so daß man hier von einer Mischung minoischen und mykenischen Kulturgutes sprechen kann: Die Technik blieb ausschließlich kretisch, aber in der Themenwahl zeigt sich mit dem Eindringen von Kriegs- und Jagdszenen, die bereits an den Sagenkreis von Troja erinnern, ein neues, dem kretischen Raffinement entgegengesetztes, schlichteres und härteres Element.
    Der historische Hintergrund zu Tralows »Aufstand der Männer« bietet mithin ein buntes Mosaik - freilich ein Bild, in dem noch so manches Steinchen fehlt. Der Dichter kann ebenso wie der Historiker und der Archäologe aus seiner Sicht der Dinge, auch mit der ihm eigenen Divination, dazu beitragen, uns diese Epoche einer gemeinsamen europäischafrikanisch-asiatischen Vergangenheit denn Kreta liegt ja im Schnittpunkt dieser drei Kontinente nahezubringen. Ein wichtiges Kulturerbe wird dergestalt in unser Bewußtsein gehoben, und wir sollten immer wieder an ein solches Vermächtnis anknüpfen, das nicht zuletzt die Abhängigkeit und gegenseitige Verflechtung der Kulturen und Völker bekundet.
    Was wir an Positivem im Nachwort des Romans »Malchatun« zu Tralows literarischer Arbeitsweise, zu seiner Darstellung von Mensch und Natur hervorheben konnten, gilt gewiß auch für den »Aufstand der Männer«. Es braucht hier wohl nichts wiederholt zu werden, indes dürften einige ergänzende Bemerkungen zum Werk des literarhistorisch noch völlig unerschlossenen Schriftstellers Johannes Tralow angebracht sein.
    Die psychologische Durchformung der in völliges historisches Dunkel getauchten Gestalten des »Aufstandes« fällt vielleicht noch deutlicher ins Gewicht als in allen anderen Romanen des Autors. Er kann und muß hier noch freier und intuitiver gestalten als sonst, und er tut dies mit viel Überzeugungskraft. In den Dialogen gelingt es ihm besonders gut, die beteiligten Personen - meist indirekt - zu charakterisieren, was natürlich auch der Perfektion seiner Dialogtechnik zu verdanken ist. Das gilt in besonderem Maße für solche Dialoge oder Dialogpartien, die in die logische Unergründlichkeit philosophisch-mystischer Spekulation oder - wen wollte das bei Tralow verwundern - in sexualpsychologisch bedingte Begegnungen vorstoßen. Im Fall von Adna und Garp scheinen sich diese beiden Linien sogar zu koppeln, und das macht diese Hauptfiguren wohl auch gerade so aussagefähig - zumal sich an ihnen selbst der Kampf um matriarchalische und patriarchalische Ordnung sinnfällig vollzieht. Auch Figuren wie Jokbed oder Belit, die in erster Linie von politisch-demagogischem Kalkül bestimmt sind, werden meisterhaft durchgezeichnet.
    Es ist wohl kein Zufall, daß durch die häufige Verwendung des Dialogs der Dramatiker mit seiner langjährigen Theatererfahrung sich immer wieder mit dem Epiker mißt. Aber im Grunde ergänzen sich beide Darstellungsformen meist recht glücklich, und es sind weder ernsthafte
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