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Aufruf zur Revolte

Aufruf zur Revolte

Titel: Aufruf zur Revolte
Autoren: Konstantin Wecker , Prinz Chaos II.
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Ein-Personen-Großmacht auf seinem Landgut zu Ferney über dem intellektuellen Leben Europas. Nicht nur im Volk, auch im Adel und im Klerus Frankreichs gab es erhebliche Unruhe.
    Einer einflussreichen Fraktion war die Notwendigkeit tiefgreifender Veränderung bewusst geworden. Nicht so sehr um die eigenen Privilegien vorauseilend zu verabschieden, sondern um sie für die Zukunft zu sichern, wie sich versteht. Die chronisch leeren Staatskassen, die Unfähigkeit der Verwaltung, erste Wellen der Empörung im Volk und die deprimierende wirtschaftliche Trägheit Frankreichs trieben die klügsten Köpfe, wie etwa den damals noch als Kleriker wider Willen agierenden Charles Maurice Talleyrand-Perigord zur Verzweiflung – und zu kühnen Reformanläufen.
    Nicht nur Talleyrand-Perigord scheiterte mit dem Versuch, eine rechtzeitige Modernisierung von oben einzuleiten. Mit seiner großangelegten Verwaltungsreform zerschellte er an der Beratungsresistenz eines Ancien Regime, das auch dann noch nicht die Zeichen der Zeit erkannte, als in den Vorstädten die Wut bereits gefährlich kochte.
    Dass die blutige Schrift an der Wand von den wesentlichen Entscheidungsträgern nicht gesehen wurde, zeugt nicht nur von deren soziopathischer Gier, sondern auch von der Undurchdringlichkeit jenes Paralleluniversums, in dem sich die damalige Aristokratie mehrheitlich bewegte. Davon, was sich in der Volksmenge zusammenbraute, bekam sie entweder nichts mit oder man hielt, weich gebettet in den Selbstverständlichkeiten jahrhundertelanger Macht, die Bewegung der Menge schlichtweg für unerheblich.
    Mit diesem Abblocken der Reformbemühungen von oben verlegte Ludwig XVI. sich und den Seinen den letzten Ausweg aus einer festgefahrenen und zunehmend unhaltbaren Situation. Er sprach sein eigenes Todesurteil.
    Es gibt nun einen ganz konkreten Moment, in welchem wir beide zu der Erkenntnis gelangten, dass eine rechtzeitige Reform durch einsichtige Kreise an der Spitze auch diesmal wieder am Realitätsverlust der Weichgebetteten zerschellen wird.
    Vor gut fünf Jahren, zu Beginn der Weltfinanzkrise, gab es in der City of London eine große Demonstration gegen die Abwälzung der Finanzkrise auf die Normalbevölkerung. Ganz davon abgesehen, dass die Demonstranten selbstverständlich von der Polizei brutal angegriffen wurden, ereignete sich dabei folgende Szene:
    Mehrere Angestellte von Investmentbanken machten sich an den offenen Fenstern stehend ein Gaudium daraus, mit Banknotenbündeln in den Händen grinsend und johlend nach unten zu winken.
    Mehr noch als die schiere Unverschämtheit des Vorgangs, fanden wir den in dieser Geste erkennbaren Mangel an Furcht be- und verachtenswert. Man sieht hier eine Generation von Spielsüchtigen, denen jegliches Bewusstsein dafür abhandengekommen ist, dass eine solche Bewegung weit unten in den Straßen auch einmal in die Bankpaläste eindringen könnte, dass nur ein paar Glasscheiben und Treppenstufen die enthobene Sphäre geliehener Pseudomacht von der ohnmächtigen Wut der Menge trennen. Diese Leute haben offenkundig vergessen, dass ähnliche Situationen mit abgeschnittenen Köpfen geendet haben.
    Konstantin hat für sein jüngstes Programm Erich Kästners Gedicht »Ansprache an Millionäre« vertont. Darin heißt es:
    Warum wollt ihr euch denn nicht bessern?
    Bald werden sie über die Freitreppen drängen
    und euch erstechen mit Küchenmessern
    und an die Fenster hängen.
    Ihr seid die Herrn von Maschinen und Ländern.
    Ihr habt das Geld und die Macht genommen.
    Warum wollt ihr die Welt nicht ändern,
    bevor sie kommen?
    Ihr seid nicht klug. Ihr wollt noch warten.
    Uns tut es leid. ihr werdet’s bereuen.
    Schickt aus dem Himmel paar Ansichtskarten!
    Es wird uns freuen.
    Erich Kästner, Ansprache an Millionäre, gekürzt von
    Konstantin Wecker, S. 177.
    Die Millionäre Kästners sind heute wohl eher mit Milliardären oder Milliardenunternehmen vergleichbar. Die Mentalität bleibt sich gleich. Sowohl die Superreichen aller Epochen als auch die niederen Chargen, die deren Vermögen verwalten, glauben einfach nicht daran, dass von dort unten her irgendjemand oder irgendetwas je in ihre Schachertempel und Gated Communities dringen könnte.
    Die Geldaristokraten verwechseln die Spekulationsblase, in der sie leben, eben in der Tat mit dem Himmelreich und halten dessen wolkige Pforten für unüberwindlich.
    Was für ein Realitätsverlust grassiert in diesen Kreisen?
    Der Prinz hat einen jungen Investmentbanker in seinem
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