Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auferstehung 3. Band (German Edition)

Auferstehung 3. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 3. Band (German Edition)
Autoren: Lew Tolstoi
Vom Netzwerk:
langsamer.
    »Man hält,« sagte der Gärtner, »stärken wir uns!«
    So wurde die Unterhaltung abgeschnitten. Nechludoff, der Taraß und dem Gärtner folgte, verließ den Waggon, um auf den feuchten Fliesen des kleinen Bahnhofes auf und ab zu wandeln.
     
----
     
    Als Nechludoff den Waggon verließ, bemerkte er im Hofe des Bahnhofes mehrere mit prächtigen Pferden bespannte Galawagen, und als er auf den Perron gelangt war, sah er eine Ansammlung, die sich vor einem Waggon erster Klasse gebildet hatte. Im Mittelpunkte derselben erschien eine große und starke alte Dame in einem Regenmantel und einem ungeheuren Federhut; sie war von einem langen jungen Manne mit sehr mageren Beinen im Radfahrkostüm und einem an der Leine geführten großen Hund begleitet. Um sie bemühte sich ein Diener, der Mäntel auf dem Arm trug, eine Kammerzofe und ein Kutscher. Die ganze Gruppe, von der dicken Dame bis zu dem Kutscher, drückte ein merkwürdiges Gemisch von Zufriedenheit und Selbstvertrauen aus. Man merkte sogleich, daß das satte, gesunde Personen waren, die sich glücklich schätzten, auf der Welt zu sein. Um die Gruppe hatte sich bald ein Kreis von Neugierigen gebildet, die das Schauspiel des Reichtums angelockt hatte. Da standen der Stationsvorsteher in der roten Mütze, ein Gensdarm, eine junge Bäuerin, die Brötchen verkaufte, ein Telegraphenbeamter und etwa zehn Reisende, die aus ihren Waggons gestiegen waren.
    In dem jungen Manne im Radfahranzuge erkannte Nechludoff Missys jüngsten Bruder. Auch die dicke Dame war ihm nicht unbekannt; es war Missys Tante, bei der die Kortschagins den Sommer zubringen wollten. Der Zugführer öffnete die Thür und hielt sie mit tausend Zeichen der Unterwürfigkeit offen, bis der Diener Philipp und ein Bahnhofsangestellter die alte Prinzessin in ihrem Krankenstuhl hinuntergebracht hatten. Die beiden Schwestern umarmten sich; Nechludoff hörte, wie mehrere Phrasen in französischer Sprache über die Frage gewechselt wurden, ob man die Fürstin in die Kalesche oder in das Coupé setzen sollte; dann setzte sich der Zug mit den beiden Damen an der Spitze in Bewegung. Den Schluß bildeten die beiden Kammerzofen, die ganz mit Sonnenschirmen, Shawls und Reisetaschen beladen waren.
    Von dem Gedanken erschreckt, den Kortschagins von neuem zu begegnen und ihnen noch einmal Lebewohl sagen zu müssen, versteckte sich Nechludoff hinter einem Pfeiler, bis der Zug den Bahnhof verlassen hatte. Die alte Fürstin, ihr Sohn, Missy und der Arzt bildeten jetzt die Spitze, dann kam der Fürst mit seiner Schwägerin in zweiter Reihe.
    Unter den in französischer Sprache gesprochenen Bemerkungen, die zu Nechludoffs Ohren drangen, fiel ihm eine, wie es oft geschieht, ohne daß er wußte, auf und blieb mit dem sie begleitenden Stimmklang lange in seiner Erinnerung haften. Es war eine Bemerkung des Fürsten, der mit seiner Schwägerin von jemand gesprochen hatte.
    »Oh! il est du grand monde, du vrai grand monde!« sagte der alte Kortschagin mit seiner selbstgefälligen Stimme, als er an der Ausgangsthür vorüberkam, wo ihn eine Doppelreihe von Beamten, und Gepäckträgern ehrfurchtsvoll grüßte.
    In demselben Augenblick erschien auf dem Perron von der andern Seite des Bahnhofs ein Trupp Arbeiter in Holzschuhen und Felleisen auf den Rücken. Mit gleichmäßigen und entschiedenen Schritten gingen die Arbeiter auf den ersten Waggon zu, der sich vor ihnen befand, und schickten sich an, in denselben einzusteigen; doch sofort kam ein Schaffner herbeigelaufen, um sie daran zu hindern. Die Arbeiter gingen weiter und stiegen in den zweiten Waggon; aber auch hier war für sie jedenfalls kein Platz, denn der Schaffner befahl ihnen, wieder auszusteigen und belegte sie dabei mit allerlei Schimpfreden. Nun wandten sich die Arbeiter zu einem dritten Wagen, demselben, in dem sich Nechludoff befand. Wieder sagte ihnen der Schaffner, sie sollten anderswo suchen, doch Nechludoff, der der Scene beigewohnt, erklärte ihnen, sie würden in dem Waggon ganz gut unterkommen. Sie stiegen also ein und Nechludoff hinter ihnen. In dem Waggon schritten die Arbeiter den Durchgang entlang, um Plätze zu suchen, wo sie sich niederlassen konnten, als der Spießbürger und die beiden Damen seiner Begleitung, die das Erscheinen dieser Arbeiter jedenfalls als einen persönlichen Schimpf ansahen, sich ihrem Eindringen heftig widersetzten und ihnen befahlen, sich so schnell wie möglich zu trollen. Sofort zogen die Arbeiter wieder den Durchgang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher